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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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nach diesem entsetzten Winseln zumute, aber er beherrschte sich.
    »Warum fragen Sie nicht, wozu wir wirklich hierhergekommen sind?«
    Sie schwieg; Cyprian, der sich bisher für denjenigen in einem Gespräch gehalten hatte, der es durch sein Schweigen steuern konnte, sah sich in die Verliererposition gedrängt. Die Situation, die unwirkliche Umgebung, der Anblick dieser Frau, in deren schönem Gesicht die hässliche Leprawunde schwärte –. Er holte Atem.
    »Es geht um …«, begann er.
    »Meine Eltern sind hier ermordet worden«, fiel ihm Andrej ins Wort.
    Die Augen der Frau verengten sich, als sie Andrej anblickte. Cyprian spürte, wie sein Begleiter zusammenzuckte.
    »Vor zwanzig Jahren, als dies hier noch ein Kloster war und keine – äh –«
    »Dies ist seit zweihundert Jahren kein funktionierendes Kloster mehr gewesen«, sagte die Frau.
    »Ich war mit dabei.«
    »Und ich habe mein ganzes Leben in Chrast gelebt. DasKloster von Podlaschitz war eine Ruine seit den Hussitenkriegen. Ich kann mich an einen oder zwei Klausner erinnern, die dort ihr Auskommen fristeten, sonst nichts.«
    »Ich habe die schwarzen Mönche gesehen.«
    »Es gab keine schwarzen Mönche.«
    »Wie oft sind Sie hierher nach Podlaschitz gekommen, bevor die Krankheit ausbrach?«, fragte Andrej feindselig. Die Frau blinzelte.
    »Nie«, sagte sie schließlich nachdenklich. »Aus irgendeinem Grund ist kaum jemand hierhergekommen. Man sah die Ruine von weitem, und man dachte –« Sie stockte und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.«
    Andrej nickte grimmig.
    »Es gab die schwarzen Mönche«, sagte er. »Ich habe gesehen, wie einer von ihnen eine Gruppe Frauen und Kinder ermordet hat. Meine Mutter war unter ihnen; mein Vater ist hier ebenfalls umgekommen. Ich habe von beiden niemals die Leichen gesehen, aber sie sind seither verschwunden, und ich habe den Wahnsinnigen dabei beobachtet, wie er mit seiner Axt durch die Unglücklichen rannte!«
    Das Flüstern des alten Mönchs erstarb mit einer letzten Silbe. Cyprian wandte sich von Andrej ab und musterte den Alten. Dieser starrte in die Luft. Sein Mund hatte aufgehört zu arbeiten; seine welken Lippen zitterten.
    »Meine Mutter war unter den Frauen, als der Wahnsinnige über sie herfiel«, sagte Andrej. »Die anderen waren nicht von hier. Ich erinnere mich, dass sie ganz anders gekleidet waren und ganz anders aussahen. Seit einiger Zeit weiß ich, dass es eine Gruppe von adligen Damen unter der Führung der Gräfin And ĕ l war. Ich bin hierhergekommen, um herauszufinden, was wirklich aus ihr geworden ist – und aus meinen Eltern.«
    Die Frau schwieg. Sie sah Andrej nachdenklich an. »Es gibt eine Geschichte«, sagte sie schließlich.
    Der alte Mann auf seinem Lager rollte den Kopf herum.Seine Augen starrten in die Cyprians. Cyprian konnte förmlich sehen, wie das Leben, das schon fast von diesem hinfälligen Körper Abschied genommen hatte, in sie zurückkroch.
    »Es ist nicht viel mehr als ein Gerücht. Es heißt, dass eine Gruppe von Flüchtlingen in unseren Landstrich kam. Es waren ausnahmslos Frauen und Kinder, die in einer fremden Sprache redeten. Keiner konnte sie verstehen, keiner wollte etwas mit ihnen zu tun haben. Jemand behauptete, sie stammten aus England und seien vertriebene Katholiken; andere erzählten, sie wären aus Frankreich und wären Hugenotten, die nach dem Massaker am Bartholomäustag geflohen waren. Wer auch immer sie waren – dem Gerücht zufolge sandte man sie zu den Klausnern von Podlaschitz in der Hoffnung, dass man dort Rat wisse. Aber unterwegs tat sich plötzlich die Erde auf, der Teufel erschien auf seinem feurigen Ross und mit einer brennenden Kutsche, und die Frauen stiegen dort ein und fuhren mit dem Leibhaftigen in die Hölle; was dafür sprechen würde, dass sie tatsächlich Ketzerinnen waren.« Sie machte eine ratlose Geste mit ihren unbeschädigten Händen. »Was nun auch immer stimmt: die einzigen näheren Details dieser merkwürdigen Geschichte beschränkten sich auf das Aussehen des Teufels und seiner Kutsche. Niemand, der einigermaßen bei Verstand war, nahm sie ernst. Ich hätte sie beinahe vergessen. Es ist nur eine Geschichte unter vielen, die sich die Leute erzählen, wenn sie nicht wissen, was sie wirklich gesehen haben.«
    »Der Sturm«, stöhnte der alte Mönch plötzlich. Cyprian fuhr zusammen. Er hatte ihn verstanden; so wie er die aussätzige Frau verstand, die mit einem ähnlichen Akzent sprach wie Andrej. Das Alter hatte

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