Die Teufelsbibel
Versagen als Wachhund anzuerkennen. Der magere Bursche warf ihm einen seiner durchdringenden Blicke zu, vergewisserte sich, dass Andrej nur noch seinen Becher leeren und dann sofort gehen würde, und stolzierte hinaus.
Als er weg war, wurde Andrej bewusst, dass heute eine Stille über dem Raum hing, die es vor ihrer Reise nach Podlaschitz nicht gegeben hatte. Kein Wunder, dachte er unglücklich, nach allem, was ich erfahren habe; zugleich drehten seine Gedanken sich beklommen um die Frage, warum auch Jarka so schweigsam war. Vielleicht war es ja wegen des Wagens ihrer Großtante, den sie notgedrungen in Chrudim zurückgelassen hatten. Der angeheuerte Wagenlenker hatte, nachdem Andrej ihm einen Teil seines Lohnes vorenthalten hatte, zugesagt, ihn nach der Reparatur allein nach Prag zurückzufahren. Es blieb zu hoffen, dass Jarkas Großtante nicht plötzlich Lust auf eine Landpartie bekam. Cyprian Khlesl hatte sie in seinem Wagen mit zurückgenommen.
»Ich mag diesen Burschen«, sagte Jarka plötzlich, als hätte sie Andrejs Gedanken gelesen.
»Ja, es war sehr höflich, uns mitzunehmen.«
»Das meine ich nicht.«
Andrej schwieg einen Augenblick. »Ja, ich mag ihn auch«, sagte er dann. »Er hat so eine Art –«
»Man ahnt, dass er gewöhnt ist, sich um seine Angelegenheiten selbst zu kümmern, aber wenn man sich ihm anschließen will, stößt er einen nicht zurück.«
»Ja«, sagte Andrej.
»Und doch hatte ich das Gefühl, dass er tief in seinem Innern – wie soll ich sagen? – traurig ist.«
»Keine Ahnung.« Andrej schaffte es nicht, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Sprich es an, dachte er sich. Jede weitere Minute verlängert die Qual. Gleichzeitig war er für jede Verzögerung dankbar. Wie bringt man der Frau, die man liebt, bei, dass man sie für eine Lügnerin hält?
»Ich dachte, er hätte vielleicht irgendetwas zu dir gesagt, als ihr in der Klosterruine wart.«
»Ich kann mich erinnern, dass er sagte, ich solle mir nicht den Kopf anstoßen. Er sagte es zu spät«, murmelte Andrej. Der Scherz blieb ohne Wirkung.
»Vielleicht ist er unglücklich verliebt?«
Andrej blickte auf. Jarka lächelte ihn an, ein Lächeln, das sagte: so verliebt, wie ich es bin, nur bin ich glücklich. Er schluckte.
»Jarka, er ist ein Abenteurer, so wie mein Vater einer war.«
»Ich meine ja nur. Du und ich, wir sind so allein hier. Ich dachte, vielleicht wäre es gut, einen Freund zu haben.«
»Leute wie er sind heute hier, morgen dort. Ich kann mich nicht erinnern, dass mein Vater Freunde gehabt hätte. Sicher, er sprach immer von ›seinen Freunden‹. Das waren die Menschen, die ihm für einen Becher Wein oder ein paar Münzen irgendetwas verrieten, dem er dann nachjagen konnte.«
Wo führt das hin?, dachte er. Ich will nicht über Cyprian Khlesl reden. Ich will nicht über meinen Vater reden. Ich will über dich und mich reden und darüber, ob Liebe sich auf einem Fundament aus Betrug aufbauen lässt.
»Ich bin überzeugt, er hat irgendwo ein Mädchen. Vielleicht sind ihre Eltern nicht mit ihm einverstanden, weil er arm ist? Vielleicht sucht er deshalb das Glück, so wie dein Vater?«
»Sein Onkel ist der Bischof, hast du das vergessen? Er braucht ihn nur anzupumpen. Wer würde nicht gern in die Familie eines Bischofs einheiraten?«
»Ja«, sagte sie, »eine interessante Frage.«
Sie legte eine Hand auf die seine und drückte sie. Ihre Augen blinzelten nicht, als sie ihn ansah. Er sah die roten Ränder und erkannte, dass sie entweder todmüde war oder geweint haben musste. Er fragte sich, ob ihre Worte eine tiefere Bedeutung hatten. Versuchte sie ihm mitzuteilen, dass ihre Familie für sie Pläne hatte, die eine gemeinsame Zukunft mit Andrej von Langenfels nicht vorsahen? Der Nachmittag, den er auf dem Hradschin verbracht hatte, war lange genug gewesen, damit in dieser Zeit eine Botschaft hätte ankommen können. Hatte sie deshalb geweint? Andrej erkannte, dass es vermutlich keinen unglücklicheren Zeitpunkt als diesen gab, um sie mit der Wahrheit zu konfrontieren, und zugleich keinen geeigneteren. Wenn dies ein unverhoffter Scheidepunkt auf ihrem gemeinsamen Weg war, dann war es besser, sich Klarheit zu verschaffen.
»Deine Mutter –«, begann er.
»Mach dir keine Gedanken. Ich habe nicht wirklich geglaubt, dass du irgendwelche Spuren finden würdest.«
»Deine Mutter – war ihr Name Isabeau oder Margot oder so ähnlich?«
Jarka starrte ihn verwirrt an. »Markéta, aber das weißt du
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