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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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um zu ihr zu gelangen. Doch was dann?
    Bei ihrem letzten Treffen war sie davongerannt. Sie hatte ihn gehasst. Was konnte er tun? Reden? Reden genügte nicht – nicht mehr. An der Fassade emporklettern und sie entführen? Sie würde nicht mit ihm kommen. Virginia, eh? Virginia lag auf dem Mond, selbst wenn man so tat, als würde man von Onkel Melchior ein bisschen Geld erbetteln können und als würde man den großen Bruder dazu bringen, dass er einen auszahlte, obwohl er sich damit selbst ruinierte. Virginia war das Ziel gewesen, zu dem ihre Liebe sie hätte tragen sollen, doch wie es schien, war das Schiff zerstört und auf den Grund des Ozeans gesunken, dessen Wasser nach Enttäuschung, Entfremdung und verspieltem Vertrauen schmeckte.
    Die Tinte war trocken. Cyprian rollte das Band ein, verstaute es in der Röhre, die so klein war, dass er mit zusammengekniffenen Augen und der Zungenspitze zwischen den Lippen arbeiten musste, damit seine Finger es hineinbekamen. Die Tauben gurrten in ihrem Käfig; er nahm eine heraus, spürte den Herzschlag in seiner Handfläche und die heißen Krallen, die sich gegen ihn wehrten. Er trug die Taube zur Fensterluke und öffnete den Riegel. Die Abendluft kam kalt und frisch herein. Die Taube trippelte auf seiner Handfläche herum, witterte die Öffnung, wippte und war plötzlich in einem Flirren aus Flügeln und dem Geruch staubiger Federn verschwunden. Auf Cyprians Handballen glänzte eine frische schwarzweiße Spur. Die Taube war ein alter Profi und hatte Ballast abgeworfen, bevor sie gestartet war. Cyprian betrachtete den Kotstreifen.
    Ein freier Mann, aller Verpflichtungen ledig. Ein gefangener Mann, dem die Liebe wie ein Mühlstein um den Hals hing, weil sie unglücklich war und sich nicht erfüllen wollte. In Kürze stand das Osterfest bevor; danach würde er einen Mord begehen müssen, um Agnes bekommen zu können. Erschnaubte; war es nicht egal, ob sie ihn hasste oder einfach einem anderen gehörte?
    Dann wurde ihm plötzlich klar, was er die ganze Zeit falsch gemacht hatte. Er hatte Agnes seiner Liebe versichert und ständig andere Dinge über sie gestellt. Er hatte ihr erklärt, dass er mit ihr ein neues Leben anfangen wollte, aber zuerst war da noch dies und das, was er Wichtigeres zu erledigen hatte. Er war seinem Onkel verpflichtet gewesen, moralisch und überhaupt, das stand außer Frage, doch dabei hatte er übersehen, dass die Liebe ihre eigenen Verpflichtungen besaß. Glaube, Hoffnung, Liebe – diese drei blieben, und die Liebe war das Größte unter ihnen. Er jedoch hatte sie wie etwas Nachrangiges behandelt und hatte der Frau, die er liebte, das Gefühl gegeben, sie käme an letzter Stelle nach all den anderen Armseligkeiten, um die herum er sein Leben eingerichtet hatte. Er hatte Agnes gesagt, dass er sie liebe, und ihr gleichzeitig klargemacht, dass dies aber zu warten hätte, bis alles andere getan war. Die Liebe war das Größte von allen, und so war sie auch zu nehmen – das hatte er vergessen.
    Er trabte die Treppe vom Dachgeschoss hinunter und machte sich auf die Suche nach einem Lappen, mit dem er den Taubenkot abwischen konnte.
    20
    Jarka lag auf dem Boden vor dem Feuer, zusammengekrümmt wie ein Säugling. Das Ächzen kam von ihr. Sie hatte sich Striemen in die Wangen gekratzt und schlug die Stirn immer wieder auf den Boden. Andrej ging neben ihr in die Knie wie ein alter Mann und schob eine Hand zwischen ihre Stirn und den Fußboden. Sie hörte mit dem Schlagen auf und ließ den Kopf auf seiner Hand ruhen.
    »Du hast noch mal gelogen«, sagte Andrej. »Als du sagtest, ich solle gehen, bevor du mich aus dem Haus werfen lässt. Du wolltest etwas anderes sagen.«
    »Ich wollte sagen, bevor mein Herz bricht.« Sie war kaum zu verstehen.
    »Du hast meines gebrochen«, sagte er. Er lächelte unter Tränen, obwohl sie ihn nicht sehen konnte. »Allerdings schon beim ersten Mal, als ich dich sah.«
    »Er hat mein Kind«, flüsterte sie.
    Andrej schwieg eine lange Weile. »Wie heißt du?«, fragte er zuletzt.
    »Yolanta.«
    »Tja«, sagte er. »Das ist Pech. Jarmila hat mir besser gefallen.«
    Sie hob den Kopf und starrte ihn restlos überrascht an. Die Striemen auf ihren Wangen leuchteten, und an ihrer Stirn war eine Beule. Ihr Gesicht war so verschmiert, dass er es kaum erkennen konnte. Die Liebe zu ihr packte und würgte ihn. Er grinste.
    »Andererseits würde ich dich auch lieben, wenn du Otákar heißen würdest.«
    Sie lächelte nach einer so langen

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