Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
Leute auf der Welt, die immer wieder Kinder aus Findelhäusern holen und in ihre eigenen Familien bringen, und vielleicht klappt das hier auch.«
    »Ist das geschehen?«
    »Weiß ich nich’. Ich hab mich bei ihm bedankt, der Kleinen Lebwohl gesagt und bin gegangen.«
    Pavel spürte den Schmerz, den die alte Frau vermutlich sogar vor sich selbst verheimlichte. In seinem Hals war ein Kloß. Er konnte keine Rücksicht darauf nehmen.
    »Du weißt nicht, was aus ihr geworden ist?«
    »Sag ich doch.«
    Pavel schüttelte den Kopf. Er wusste nicht, was er erwidern sollte. Er wechselte einen Blick mit Buh, der nicht reagierte.
    »Welches Findelhaus war das? In Prag gibt es bestimmt mehrere.«
    »Weiß ich nich’. Es war irgendwie außerhalb der Mauern,daran erinnere ich mich, direkt am Fluss. Irgendein Schwesternorden hat es geführt. Der Mann sagte, dass die anderen Findelhäuser von den Prager Behörden kontrolliert werden oder so, aber dass dort, wo die Schwestern waren, keiner fragen würde, was das für ’n Kind wäre und warum wir es nich’ selber behielten und so Sachen.«
    »Ein Haus für die Kinder gefallener Frauen«, sagte Pavel. »Nur dort fragt keiner nach. Der Kaufmann war ein kluger Bursche.«
    Katka reagierte nicht. Sie atmete aus und spuckte erneut auf den Boden.
    »Das war’s«, sagte sie. »Ich will jetzt gehen.«
    Pavel sah durch sie hindurch. »Wir müssen nach Prag«, sagte er. »Ich hatte gehofft, es wäre nicht nötig, aber wir müssen nach Prag.«
    »Ich will jetzt gehen.«
    Pavel bemühte sich, sich auf die alte Frau zu konzentrieren. Die Erkenntnis, dass sie immer noch am Anfang standen, hatte ihn erschüttert. Er durfte den Mut nicht verlieren. Es stand zu viel auf dem Spiel.
    »Gut«, sagte er. »Es geschieht wie folgt: wir gehen los und nehmen deinen Neffen mit. Wir lassen ihn später frei, wie versprochen. Er wird hierher zurückkommen, in dieses Versteck. Ihr könnt dann gemeinsam in euren Weiler zurückkehren. Ich möchte, dass du dich vorher nicht von der Stelle rührst, verstanden?«
    »Wie lange wird das dauern?«
    »Bis zum Einbruch der Dämmerung. Es kommt darauf an, wie schnell wir auf der Straße vorwärtskommen und wie schnell er zurückläuft.« Pavel lächelte. An Katka war seine Mühe verschwendet.
    »Ich hab wohl keine Wahl«, brummte sie.
    »Wenn du nach unserem Weggang deine Leute alarmierst und sie uns verfolgen, ist der Junge tot.«
    »Hab ich schon verstanden. Schweinekerl!«
    Pavel stand auf. »Buh, nimm den Jungen mit. Lass ihn nicht entkommen. Lebwohl, Katka. Ich möchte dir noch mal sagen, dass du meine Hochachtung hast.«
    »Steck dir deine Hochachtung sonst wohin«, sagte Katka.
    Sie stolperten quer durch den Wald davon in die Richtung, in der Pavel die Straße vermutete. Der Junge hielt sich in Buhs Armen still, nicht zuletzt, weil Buh ihm immer noch den Mund zuhielt. Buhs Gesicht war dunkel und wie aus Stein, und er sah Pavel nicht an. Pavel trottete ihm voran, unglücklich und ratlos, wie es in Prag weitergehen sollte. Mehrmals drehte er sich um und sah Katka, die regungslos auf dem Boden saß und ihnen nicht hinterhersah. Schließlich verschwand ihr Anblick zwischen den Bäumen und hinter einigen Bodenwellen. Pavel blieb stehen.
    »Ich habe kein gutes Gefühl«, sagte er zu Buh. »Wir hätten sie fesseln sollen.«
    Buh grunzte etwas. Pavel ballte die gesunde Hand zur Faust. »So wie den Knecht«, sagte er. »Da bin ich auch noch mal zurückgegangen und habe ihn gefesselt, für alle Fälle. Wir hätten das hier auch tun sollen.« Er sah Buh an. Buhs Blick war nicht zu deuten. Pavel gab sich einen Ruck.
    »Ich gehe noch mal zurück«, sagte er. »Sicher ist sicher. Warte hier.«
    Buh gab keine Antwort. Pavel wandte sich ab und schritt, so schnell er konnte, zurück zu ihrem Versteck. Seine linke Hand war starr; er konnte sie nicht verwenden, so wie er es in Kolin im Haus des ehemaligen Knechts getan hatte. Nur seine Rechte funktionierte. Er hob einen abgebrochenen Ast vom Boden auf, ohne innezuhalten. Ein Blick über die Schulter zeigte ihm, dass Buh ihn schon nicht mehr sehen konnte. Er schwang den Ast durch die Luft – hartes, luftgetrocknetes Holz, unterarmdick, ein paar Borkenreste verrieten seine Herkunft von einer Eiche. Der Ast pfiff, als er ihn schwang.
    Katka sah auf, als sie ihn herankommen hörte. Zuerst lächelte sie, doch dann erkannte sie, dass er nicht ihr Neffe war. Ihr Gesicht verzog sich vor Erstaunen, dann vor Entsetzen, als ihr klar wurde,

Weitere Kostenlose Bücher