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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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wozu er zurückgekommen war. Sie rappelte sich auf und versuchte auf die Beine zu kommen. Pavel begann zu rennen. Diesmal war er bei weitem schneller als sie. Sie kletterte über den Stamm, da war er heran und riss sie zurück. Sie fiel zu Boden und sah zu ihm auf, die Augen aufgerissen und die Hände flehend erhoben.
    »Herr, vergib mir, ich bin dein Knecht!«, stieß Pavel hervor und begann zuzuschlagen.
    22
    Auf dem Rückweg zu Buh rasten Pavels Gedanken ungeordnet durch seinen Schädel, während sein Unterbewusstsein das Kommando übernahm und die erforderlichen Schritte einleitete, er Blutspritzer an Kutte und Händen suchte und sie mit einer Handvoll Erde abrieb. Egal, ob er sie alle entfernen konnte – von der Wunde in seiner linken Hand war genügend Blut auf die Kutte gekommen, so dass die Überreste auch davon hätten stammen können. Seine Gedanken zeigten ihm derweil Phantombilder einer jüngeren, hübscheren Katka, die ein Kind durch den November trug, das schon längst hätte tot sein sollen, vermischt mit Vorstellungen von dem blutig geschlagenen Gesicht des Knechts, der eine späte und unbeabsichtigte Tracht Prügel für seinen Treuebruch erhalten hatte und nun schwach die Hände abzuwehren versuchte, die sich um seinen Hals legten und zudrückten. Abt Martins Anweisungen waren eindeutig: das Kind war eine Gefahr für das Geheimnis, das sie alle in den Höhlen unterhalb des Klosters bewachten; die Menschen, die es fortgebracht hatten, waren es gleichermaßen.
    Aber sie haben so lange geschwiegen, hatte Pavel eingewendet.
    Du musst sicherstellen, dass sie auch weiterhin schweigen werden, hatte Abt Martin geantwortet.
    Pavel fühlte das verzweifelte Zucken der Muskeln im Hals seines Opfers, als er es erdrosselte, und er fühlte jeden Aufprall des Eichenholzes auf einen menschlichen Körpers, der sich in seine Hand fortsetzte, als er habe er mit bloßer Faust zugeschlagen. Er weinte, ohne es zu merken, und flüsterte Gebete, ohne sie zu hören.
    Plötzlich stand er vor Buh. Der Riese sah auf ihn herab. Er hielt den Jungen immer noch fest.
    »Setz ihn auf den Boden, er soll selber laufen«, sagte Pavel.
    Buh setzte den Jungen ab. Dessen Beine knickten ein, und er sank so schlaff auf den Waldboden, dass Pavel wusste, er war tot. Er starrte von den offen stehenden Augen des Jungen zu Buh. Der Riese zitterte.
    »Gnnn…«, machte er, und seine Hände vollführten eine Bewegung, als würden sie einen Stock zerbrechen. »Gnnn… ich… ich … k… k… kann nichts … gnnn…«
    Natürlich nicht, dachte Pavel. Der Junge hatte sich gewehrt. Pavel hatte ihm befohlen, dem Jungen den Mund zuzuhalten. Der Junge hatte sich herumgeworfen und gezappelt. Buh hatte fester zugedrückt, um ihn nicht entwischen zu lassen. Buhs Kräfte waren enorm; der Junge war nur ein unterernährter kleiner Sperling gewesen.
    »Nein«, sagte Pavel sanft. »Du kannst nichts dafür.«
    Etwas in ihm schrie und tobte und verdammte ihn. Er bemühte sich, nicht darauf zu hören. Buh zitterte immer stärker. Die ganze Zeit über hatte er den Leichnam festgehalten, um Katka im Glauben zu lassen, sie hätten etwas, mit dem sie sie erpressen konnten, sie hätten etwas, um dessen Leben zu retten es sich lohnte, ein zwanzig Jahre lang gehütetes Geheimnis zu verraten.
    Buh sank zu Boden, neben dem Jungen, den er getötet hatte. Er begann zu schluchzen. Pavel stand daneben und konnte nichts tun. Wenn in diesem Moment die Bauern aus dem Weiler gekommen wären und ihn hätten erschlagen wollen, er hätte sich nicht gewehrt. Er dachte an Abt Martin und die Truhe, und plötzlich hörte er das Brummen aus ihrem Inneren, das Singen von purer, bösartiger Energie, das bislang nur der Abt zu hören geglaubt hatte. Es war da. Es war zu hören. Es offenbarte sich all denen, die zum Knecht des Buches geworden waren, das im Inneren der verschachtelten Truhe auf seine Zeit wartete. Es war für die zu vernehmen, deren Seelen verdammt waren.
    23
    Natürlich stand es für die Kaufleute Prags, der Hauptstadt des Heiligen Römischen Reichs – des Heiligen Katholischen Römischen Reichs –, vollkommen außer Frage, dass mit den Untertanen Ihrer Majestät, der jungfräulichen Königin von England – der Protestantin Elisabeth – in jeglicher Weise Handel getrieben werden und auch weitergehende Kontakte zum Inselreich von Albion aufrechterhalten werden durften und sollten. – So viel wusste Agnes bereits, auch ohne sich näher in das Thema vertieft zu

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