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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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sich nach seinem Siegellack um.
    »Hier, Ehrwürden.« Eine schwarzrote Stange und eine brennende Kerze wurden vom jenseitigen Teil der Tischplatte zu ihm herübergeschoben. Der Bischof träufelte ein paar Tropfen unter den Text, ballte die Faust und hämmerte mit dem Siegelring in den noch warmen Lack, dass er nach allen Seiten spritzte. Die Spitze des Sandhaufens rieselte herab.
    »Die Signatur, Ehrwürden.«
    Bischof Melchior kritzelte ein »† Melchior Khlesl episcopus « darunter, das den Anblick des restlichen Textes beleidigte. Die Feder kratzte, dass einem die Unterarmhaare zu Berge standen.
    »Sieh zu, dass beides heute noch versandt wird.«
    »Sehr wohl, Ehrwürden.«
    Bischof Khlesl umrundete den Tisch und stapfte hinaus. Der Sekretär nahm das Schreiben mit spitzen Fingern und blies auf Khlesls Unterschrift. Der Bischof blieb vor einem Globus stehen, der neben dem Weg zur Tür stand und insofern sein Geld wert gewesen war, als die Fantasie des Kartografen, Fauna und Flora in den Meeren und den unbekannten Regionen der Welt betreffend, die bekannten Naturgesetze spielend aufgehoben hatte.
    »Und räum die Schweinerei weg.« Der Bischof wedelte in Richtung des Sandhaufens.
    »Natürlich, Ehrwürden.«
    »Das habe ich verschüttet. Tut mir leid.«
    »Keine Ursache, Ehrwürden.«
    Der Bischof wirbelte herum. Der Globus stand plötzlich im Weg. Ein paar ebenso heftige wie akrobatisch eindrucksvolle Augenblicke später stand Bischof Khlesl ein paar Schritte näher an der Tür, rieb sich das Knie und hielt sich an einem Gobelin fest. Der Globus lag aufgeplatzt auf dem Boden, eine Viertel der Erdoberfläche abgepellt wie die Schale einer Orange. Seeschlangen, Leviathane und unzureichend bekleidete Meerjungfrauen ragten in das Weltall beziehungsweise in den leeren Raum in Bischof Melchiors Arbeitszimmer.
    »Und die Schweinerei hier auch«, sagte der Bischof.
    »Wie Ehrwürden befehlen.«
    Im Hof des Bischofspalastes stand der Wagen, aufgepackt mit einer Reisetruhe, der Kutscher bereits auf dem Bock, die Befehle des Bischofs erwartend. Bischof Khlesl verlangsamte seinen Schritt. Als er vor dem Wagen stand, atmete er tief durch. Dann riss er den Verschlag auf.
    Sein Passagier besetzte eine dunkle Ecke im Wageninneren. Er war in Decken eingehüllt.
    »Du«, sagte Bischof Khlesl, »ich wünschte, ich wäre dir nie begegnet.«
    Der Passagier erwiderte nichts. Bischof Khlesl stieg ein. Der Wagen fuhr an und rollte in die Nacht hinaus.
    29
    »Wir können dich zu ihm bringen, lieber Freund«, sagte Papst Clemens.
    Kardinal de Gaete hielt die Luft an. »Er ist hier im Lateranpalast?«
    »Wo sonst? Wir haben ihm nicht erlaubt, irgendwo anders hinzugehen.«
    De Gaete wechselte einen Blick mit Kardinal Madruzzo. Wie stets war dem deutschen Kardinal viel zu leicht vom Gesicht abzulesen, was er dachte. Was er im Augenblick dachte, war dies: Herr im Himmel, ich danke dir für die Einfalt des Heiligen Vaters!
    »Seit wann?«
    »Exakt«, sagte der Papst.
    Kardinal de Gaete hatte darauf bestanden, ohne die Gegenwart der beiden Priester mit dem Heiligen Vater zu sprechen. Die zwei Übersetzer standen in einer Ecke des Saals und schmollten. De Gaete holte Atem und brüllte: »SEIT WANN!?«
    »Seit er zu Uns kam und sich Uns offenbarte.«
    Der alte Kardinal beugte sich über die Armlehne des Papstthrons und küsste dem überrumpelten Pontifex den Ring. Papst Clemens’ imposante Brauen hoben und senkten sich im Wechselspiel zwischen Überraschung und Geschmeicheltsein und verhielten in einer Miene des bescheidenen letzteren.
    »Können wir gleich zu ihm gehen?«
    »Gleich nach dem Vesperläuten?«
    Kardinal Madruzzo spähte zu einem der hohen Bogenfenster. Die Vormittagssonne schien noch immer zur Ostflanke des Palastes herein. Er biss die Zähne zusammen. Kardinal de Gaete hingegen war die Gelassenheit in Person. »Ich danke dem Pontifex maximus dafür, dass er uns erlaubt, unsere Demut an einer Lektion in Geduld zu beweisen.«
    Die Ironie vibrierte im Raum. An Papst Clemens war sie vollkommen verschwendet. »Exakt.«
    De Gaete zählte im Stillen bis zehn. »ODER GEHT ES GLEICH JETZT !?«
    »Oh!«
    Papst Clemens stand auf. Ringsum raschelten Gewänder, als alle Anwesenden in einer tiefen Verbeugung zusammensanken. Der Papst blickte sich freundlich um und winkte den gesenkten Köpfen zu.
    »Dein Eifer soll belohnt werden, lieber Freund«, sagte Papst Clemens.
    »Ich danke Ihnen von ganzem Herzen, Heiliger Vater.«
    Der Papst

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