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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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der –?«
    »Nein«, unterbrach Andrej. »Ich will kein Kind abgeben. Ich will eines abholen.«
    »Ach?« Andrej hatte das Gefühl, dass die Temperatur ein kleines bisschen stieg. »Wozu?«
    »Wozu?!«
    »Glaubst du, jeder Hergelaufene kann hier ein Kind abholen, weil ihm gerade danach ist? Weiß ich, wer du bist? Du siehst aus wie ein hübscher Knabe, aber deine Seele könnte so schwarz sein wie die eines Sklavenhändlers, der billige Arbeiter für die Minen seines Herrn sucht.«
    »Einen Säugling«, sagte Andrej. »Als Minenarbeiter.«
    Die Torhüterin schwieg eine Weile.
    »Es ist das Kind meiner Frau«, probierte es Andrej, als das Schweigen sich in die Länge zog. Es hörte sich so ungewohnt an, dass er nuschelte. Gleichzeitig erfüllte es ihn mit unsinnigem Stolz. Meine Frau. Natürlich würde Yolanta seine Frau werden – nicht hier in Prag, wo ein Pater Xavier in seiner Drachenhöhle hauste und keiner von ihnen dreien sicher sein würde, aber überall anders auf der Welt.
    »Warum habt ihr euer Kind hierhergebracht?!«
    »Als es abgegeben wurde, war sie noch nicht meine Frau.«
    »So!«
    Andrej hatte genug. Er hatte sich nicht im Schutz einer geborgten Kapuze hierhergeschlichen, um von einer alten Türsteherin aufgehalten zu werden. Er hatte nicht – auf den bloßen Verdacht hin, den Blinden mit der schmutzigen Augenbinde schon zweimal vorher gesehen zu haben, – die Hälfte seiner Barschaft in einen Korb Eier investiert mit der Bitte, ihn dem Blinden zu geben. »Der dort drüben mit der Augenbinde, gebt ihm die Eier nur, er wird sie vielleicht nicht nehmen wollen, weil er seinen Stolz hat, aber ich lasse ihm schon lange heimlich Almosen zukommen. Er ist nämlich mein unschuldig ins Unglück geratener Bruder! Drängt sie ihm auf, Ihr tut ein gutes Werk!« Er war nicht stehen geblieben, um zu prüfen, ob der Blinde tatsächlich versuchte, den hilfreichen Händen zu entkommen, die ihn aufhielten – aber er hatte das gleichzeitig unheimliche und bewegende Gefühl gehabt, zu verstehen, was seinen Vater täglich angetrieben hatte. Er hatte dies alles nicht getan, um schon vor der Klosterpforte zu scheitern.
    »Was ist das?«, fragte die Torhüterin.
    »Ein Schreiben von Oberstlandrichter Lobkowicz. Das ist sein Siegel, sehen Sie? Lassen Sie mich bitte ein.«
    »Ich dachte, es geht dir um das Kind deiner Frau? Hier steht, es handelt sich um Angelegenheiten des Kaiserhofs.«
    » Ich bin eine Angelegenheit des Kaiserhofs«, sagte Andrej.
    Was die Höflichkeit nicht bewirkt hatte, vermochte die Arroganz. Die Riegel schnappten zurück und Andrej wurde in eine enge, mit Holz ausgeschlagene Kammer eingelassen. Die Torhüterin verschloss die Tür wieder und schlurfte wortlos hinaus. Die Riegel an der anderen Tür schabten. Andrej rüttelte ungläubig daran. Sie hatte ihn eingeschlossen.
    Als Andrej darüber nachzudenken begann, ob er versuchen sollte, die Türen mit den Füßen zu bearbeiten, schob sich das Guckloch an der zweiten Tür auf. Die Augen hätten die der Torhüterin sein können, aber die Stimme war eine andere.
    »Deine Geschichte ist eine Lüge«, sagte die Stimme.
    Andrej hörte ihr zu, und ohne dass er hätte sagen können, woher die Assoziation stammte, dachte er plötzlich darüber nach, was Cyprian Khlesl in dieser Situation getan hätte. Der Mann sah aus wie einer, der sich mit bloßen Fäusten durch die Wand gearbeitet und dann die Oberin am Hals gepackt hätte, bis sie das Kind freigab und noch Geld obendrauf legte. Doch er sah nur so aus; verhalten hätte er sich ganz anders.
    »Sind Sie die Mutter Oberin?«, fragte Andrej.
    »Niemand am Hof kümmert sich um die Kinder hier. Niemand auf der Welt kümmert sich darum. Wenn ihr Schicksal jemanden interessieren würde, gäbe es uns nicht.«
    »Ein ganz bestimmter Dominikanerpater hat sich für das Schicksal eines ganz bestimmten Kindes interessiert.«
    Die Stimme hinter dem Guckloch verstummte für eine Weile. »Sind Sie in seinem Auftrag hier?«, fragte sie schließlich.
    »Dies ist das Siegel von Oberstlandrichter Lobkowicz, nicht das von Dominikus von Caleruega.«
    Das Schweigen dauerte so lange, dass man es ebenso als Zeichen der Erleichterung auffassen konnte wie als eines der Missbilligung. Wenn die harten Vogelaugen nicht gewesen wären, die ihn musterten, hätte der Platz hinter dem Guckloch verwaist sein können. Andrej bemühte sich, nicht auf das Klopfen seines Herzens zu hören.
    »Ich bin hier, um das Kind von Yolanta Melnika

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