Die Teufelsbibel
strahlte. »Exakt.«
Kardinal de Gaete biss die Zähne zusammen und schickte ein Lächeln zurück, das aus seinem Schildkröten- ein Krokodilsgesicht machte. Er folgte dem Papst ein paar Schritte, dann blieb er stehen. Kardinal Madruzzo hatte sich mit den anderen verbeugt und betrachtete den Fliesenboden.
»Psst!«, zischte Kardinal de Gaete, dass es im Audienzsaal widerhallte. Seine Augen funkelten vor Wut.
Madruzzo fuhr zusammen, rappelte sich auf und folgte dem freundlich in alle Richtungen nickenden Papst und dem dunkelroten Gesicht seines Kardinalskollegen in die Tiefen der Engelsburg.
Nach einem längeren Fußmarsch vorbei an in sich zusammenknickenden Höflingen, sich tief verbeugenden Nonnen und durch weite Zimmerfluchten voller glänzender Parkettböden und leuchtendem Sonnenschein auf Wandfresken erreichten zwei verwirrte Kardinäle und ein immer noch freundlicher und eifriger werdender Papst einen Raum, aus dem ein Gurgeln und Stöhnen erklang.
De Gaete und Madruzzo sahen sich mit neu erwachender Hoffnung an. Ein Mensch im Schmerz; ein Mensch, der gerade die Erfahrung machte, dass man immer noch etwas zugestehen findet, wenn die Daumenschrauben eine weitere Umdrehung enger gemacht werden. Papst Clemens schwang die Tür auf.
Außerhalb des Lateranpalasts war die Mittagssonne so heiß und drückend, dass man hätte meinen können, es sei August, nicht Anfang März. Vielleicht kam es den beiden Kardinälen aber auch nur so vor. Der Gestank der Ewigen Stadt driftete zu ihnen und ließ Kardinal Madruzzo ein Tuch aus seiner Soutane ziehen und es sich vor Mund und Nase pressen.
Kardinal de Gaete klebte das Hemd am Körper. Er hatte während des ganzen Weges aus dem Lateranpalast heraus kein Wort gesagt und schwitzte, weil er gezwungen gewesen war, kein Wort zu sagen, sonst hätte er zu schreien begonnen.
»Kann es sein, dass er uns einen Kastraten gezeigt hat, der Stimmübungen machte?«, fragte Madruzzo schließlich ebenso ungläubig wie dumpf hinter seinem Tüchlein hervor.
Kardinal de Gaetes Gesicht war fast schwarz vor Wut. »Wir schreiben eine Nachricht an Pater Xavier«, sagte er erstickt. »Er muss wissen, dass wir Läuse im Pelz haben.«
1592:
Das Vermächtnis
des Satans
»Die Asche macht alle gleich.«
Seneca d. J., Moralische Briefe an Lucilius, XIV, XCI, 16
1
Das kleine Guckfenster öffnete sich mit einem Ruck. Zwei in der Dunkelheit funkelnde Augen richteten sich auf Andrej. Er probierte unter seiner Kapuze ein Lächeln.
»Schon wieder?«, fragte die Gestalt auf der anderen Seite der Klosterpforte ungnädig.
Andrej schwieg verwirrt.
»Ich habe gesagt: schon wieder, Bruder? Hast du noch was zu fragen vergessen? Kann man sich gar nicht vorstellen.«
Die Stimme war die einer älteren Frau, trocken vom Zynismus eines Menschen, der zeit seines Lebens nicht viel Gelegenheit gehabt hat, seinen Glauben an das Gute im Menschen zu festigen. Andrej streifte die Kapuze ab.
»Ich bin kein Mönch.«
»So.« Es war nicht zu erkennen, dass sich sein Ansehen verbessert hätte. Andrej bemühte sich erneut um ein Lächeln.
»Ich möchte mit der Mutter Oberin sprechen.«
»Weswegen?«
»Es geht um ein Kind.«
»In der Tat«, sagte die alte Torhüterin.
Andrej musterte das kleine Guckloch ratlos. Sein Plan hatte funktioniert – bis hierher. In seiner Tasche war ein Pass, ausgestellt von Oberstlandrichter Lobkowicz; oder besser gesagt, von Oberstlandrichter Lobkowicz’ Siegel. Der Text im Pass besagte, dass sein Besitzer im Auftrag des Kaiserhofs tat, was getan werden musste, und dass mit persönlichen Konsequenzen rechnen musste, wer sich unkooperativ verhielt. Im zweiten Absatz ging es darum, dass der Auftrag des Kaiserhofs die Abholung eines noch näher zu bezeichnenden Kindes aus dem Findelhaus für gefallene Frauen beinhaltete. Der Kaiserhof, der Oberstlandrichter und der Überbringer des Schreibens verbürgten sich für künftige Sicherheit und Wohlergehen des Kindes. Es war undenkbar, dass die Karmelitinnen den Anweisungen eines fremden Dominikanerpaters mehr gehorchten als einem unmittelbaren Beauftragten des Oberstlandrichters. Und nun kam er noch nicht einmal dazu, den Pass vorzuzeigen, weil der Drachen an der Klosterpforte schlimmer war als Zerberus der Höllenhund.
»Weshalb? Auf der Straße gefunden? Vor die Schwelle gelegt bekommen?« Der Tonfall hätte Löcher in die schwere Eichentür ätzen können.
»Hä?«
»Weshalb willst du das Kind hier abgeben? Hast du es auf
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