Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
sich leichter zurechtgefunden. Andererseits waren sich Patrizierhäuser überall ähnlich. Die Hitze ließ nach, als er ein paar Treppenstufen erklommen hatte. Der Rauch hatte hier eine wieder andere Qualität, heller, weniger dicht, dafüraber noch kratziger und beißender. Das Röhren des Feuers dröhnte im Treppenhaus wie Tiergebrüll. Er machte unwillkürlich einen tiefen Atemzug und hatte das Gefühl, Glasscherben geatmet zu haben. Hustend und keuchend stolperte er weiter. Seine Lungen brannten. Er kämpfte sich aus seinem Wams und riss an einem Ärmel seines Hemdes, während er versuchte, die Luft anzuhalten. Hustenspasmen zuckten durch seinen Leib. Der Ärmel löste sich endlich; er wickelte ihn sich um die untere Hälfte seines Gesichts. Seine Lungen schmerzten noch immer, aber jetzt war das Atmen weniger schwierig. Sein Fuß stieß an die Fackel, die er abgelegt hatte, und sie rollte und hüpfte die Treppe hinunter und ging unten aus. Pfeif drauf, Feuer gab es hier ohnehin genug.
    Oben war ein Gang, so niedrig, dass Cyprian sich bücken musste. Er erstreckte sich über die Länge des Gebäudes und stand weiter vorn in hellen Flammen, doch hier, direkt neben dem Ende der Treppe, war er unversehrt. Zugluft zerrte an Cyprians Gesichtsschutz; der Einsturz des Daches zusammen mit der zerstörten Fassade des Obergeschosses ließ einen Zug entstehen, der das Feuer in den Eingeweiden des Hauses zum Tosen brachte, hier aber eine fast rauchfreie Zone schuf. Cyprian wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und hinterließ ein schwarzes Rußband darin, aus dem die Augen hervorleuchteten. Im roten Glosen sah er Türen. Er trat die erste ein und taumelte unter dem Türsturz durch in einen leeren Raum. Über dem Prasseln hörte er jetzt gedämpfte Schreie. Sie kamen aus dem Nachbarzimmer. Er sah eine Verbindungstür und trat auch sie ein, stieß sich den Kopf an der Decke und fluchte. Im Nachbarraum fuhr ein Dutzend Leute herum und kreischte auf.
    »Agnes!«, schrie er. »Agnes!« Die Leute schraken vor ihm zurück. »AGNES!!«
    Jemand drängte sich an den Leibern vorbei. Cyprian hatte das Gefühl, vor Dankbarkeit auf die Knie sinken zu müssen.Im orange glühenden Halbdunkel sah er jedoch Niklas Wiegants behäbige Gestalt.
    »Cyprian?«
    »Wo ist Agnes?« Cyprian hustete und riss sich den Schutz vom Mund. Für einen Augenblick dachte er, er würde sich übergeben müssen.
    »Ich weiß nicht«, schluchzte Niklas.
    »Raus hier!«, krächzte Cyprian. »Alle raus hier.« Sein Herz schrie: NEIN!
    »Wir können nicht raus. Alles brennt!«
    Cyprian taumelte auf Agnes’ Vater zu und griff sich eine Handvoll Wams. Ohne ein weiteres Wort zerrte er ihn zur Verbindungstür und durch den anderen Raum nach draußen auf den Gang. Niklas schrie auf und schlug die Hände schützend vors Gesicht angesichts des brüllenden Feuers weiter vorn, ließ sie dann aber sinken, als er erkannte, dass er nicht brannte. Hinter ihm drängten sich die anderen heraus: die Dienstboten, Sebastian Wilfing senior, der vor Panik quietschte und mit den Armen ruderte, Theresia Wiegant, angstvoll erschütterte Arroganz. Er schob sie alle zur Treppe.
    »Runter, runter!«, schrie er mit zerreißender Kehle. »Passt im ersten Stock auf, dann schafft ihr’s!« Seine Stimme versagte, und er krümmte sich. »Hat jemand Agnes gesehen?« Er hörte sich nicht besser an als Sebastian Wilfing.
    Jemand wehrte sich mit fliegenden Gliedmaßen dagegen, von der Panik und dem Gedränge mit die Treppe hinuntergerissen zu werden. Cyprian ahnte mehr, als er sie erkannte, dass es Agnes’ Magd war.
    »Mein Schatz!«, schrie sie. »Mein Schatz!«
    Cyprian schob beiseite, wer ihm im Weg stand, und packte die Frau. Er erwischte ein Büschel Haare, und sie verzerrte das Gesicht, aber es war ihm egal. »WO IST SIE!?«, tobte er.
    »– Zimmer – sie ließen mich nicht mehr runter –«
    Cyprian kämpfte sich an der hustenden, weinenden undstöhnenden Truppe vorbei, die zögerlich die Treppenstufen hinunterstolperte. Niklas machte den Anführer. Cyprian griff ihn und schleppte ihn einfach hinter sich her. Die anderen Flüchtlinge beschleunigten. Niklas schrie auf, als sie im ersten Geschoss ankamen; sein Entsetzensschrei pflanzte sich nach oben fort. Jemand wollte sich umdrehen und wieder nach oben fliehen, aber Cyprian hatte noch eine Hand frei. Er starrte in das Weiße von Theresia Wiegants Augäpfeln. Undeutlich sah er, wie hinter ihr Sebastian Wilfing ohnmächtig wurde und zwei

Weitere Kostenlose Bücher