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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Fensterstöcke aus dem Obergeschoss. Sebastian krabbelte auf allen vieren davon; die beiden Wachen packten ihn und schleiften ihn mit sich. Der Mann im Nachthemd stand inmitten des fallenden Infernos; sein wirres Haar und seine Schultern glitzerten plötzlich von Glasscherben, ein kopfgroßes Stück Stuck schlug ihm den Ledereimer aus der Hand, ein unzerbrochener Fensterladen fiel mit der Kante voran direkt neben ihm auf den Boden und zersplitterte. Des Mannes Augen waren riesig, seine Hände hielten immer noch die Luft, wo zuvor der Eimer gewesen war.
    Cyprian sprang durch den Trümmerregen, durch das Flattern von Vorhangfetzen, die heruntergaukelten wie brennende Falter, durch das Scheppern und Klirren von Essbesteck, Tellern und Schüsseln, hob den Mann im Nachthemd hoch und trug ihn aus der Gefahrenzone. Der Mann hatte nicht einmal einen Kratzer. Cyprian sah kurz Andrejs entsetztes, triefendnasses Gesicht, dann stellte er den Mann in die Löschkette, ein Eimer kam heran und landete in Nachthemds griffbereiten Händen, wie in Trance gab er ihn weiter – Cyprian wandte sich ab und sah die Flammen, die nun aus der völlig zerstörten Fensterreihe im ersten Stock schlugen.
    Wachen rannten in die Eingänge der Nachbargebäude, bewaffnet mit Ledereimern, langen eisenverstärkten Brettern, Äxten und ihren Spießen. Der Donnerschlag der Explosion dröhnte immer noch in Cyprians Ohren. Das Dach brannte; das erste Geschoss brannte; sein Herz krampfte sich zusammen.
    »Der Dienstbotentrakt – linke Seite, direkt unterm Dach!«, keuchte jemand in sein Ohr. Andrej. Er deutete wild auf einen Teil des Gebäudes. »Da ist jemand!«
    Die Fenster waren nur kleine Luken, durch die bestenfalls eine Katze gekommen wäre. Cyprian sah eine winkende Hand. Ob der Besitzer der Hand etwas schrie, war nicht zu hören. Wer es war, war nicht zu erkennen.
    »Vielleicht sind Agnes und die anderen dorthin geflüchtet?«, schrie Andrej. Cyprian starrte ihn an. Woher wusste Andrej von Agnes – aber nichts hätte im Moment unwichtiger sein können. Er wirbelte herum.
    »Warte!«, brüllte Andrej. Er schwang den vollen Brunneneimer mit der Kraft des Verzweifelten, und Cyprian fühlte sich von einer eiskalten Welle erfasst und fast zu Boden geschleudert. Unwillkürlich schnappte er nach Luft.
    »Wenn du da reinwillst, musst du nass sein!«, schrie Andrej und ließ den Eimer wieder in den Brunnen rasseln. In all der Panik war es diese überlegte Handlung und der mächtige kalte Guss, die Cyprians Hirn endgültig wieder funktionieren ließen. Er packte Andrej im Genick und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Andrejs Augen waren weiß in seinem hochroten Gesicht. »Küss sie, nicht mich!«, kreischte er.
    Cyprian grinste, warf sich herum und rannte auf das brennende Haus zu. Die Wachen hatten mittlerweile die Blockade vor dem Dienstboteneingang beseitigt und die Tür aufgerissen. Sie leuchteten mit Fackeln in die Finsternis dahinter, was angesichts der tobenden Flammen im anderen Gebäudeteil völlig widersinnig aussah. Cyprian rannte einfach durch sie hindurch, riss einem die Fackel aus der Hand und schaffte es bis zur Treppe, bevor sie zu schreien begannen. Er kümmerte sich nicht darum.
    Der Rauch war fett und aggressiv und griff ihm mit Krallen in die Kehle. Cyprian begann zu husten. Dennoch war er nicht so dicht wie im Haupttrakt des Hauses; er hing unter der Decke wie Gewitterwolken. Der Lichtschein der Fackel reichte so weit, dass er die nächsten paar Stufen sehen konnte. Durch die Dunkelheit waberte ihm rotes Glühen entgegen. Es wurde schlimmer, je weiter er nach oben kam. Schon bei der Hälfte der Treppe musste er stehen bleiben, weil Husten und der Würgereflex ihn in die Knie zwangen. Der Rauch war hier oben dichter und schwerer, er floss über die Treppenstufen hinunter wie Wasser. Cyprian kämpfte sich mit tränenden Augen wieder auf die Beine. Jetzt spürte er zum ersten Mal die Wärme des Feuers; sie umfing sein Gesicht, ein warmer, tödlicher Hauch.
    Auf dem Treppenabsatz zum ersten Geschoss musste er sich an die Wand drücken. Die Hitze ließ ihm den Schweiß ausbrechen. Er sah ein Stück in den Gang hinein, der an den Räumlichkeiten der Familie vorbei zum Saal führte – um eine Ecke herum in den innersten Kreis der Hölle. Er kroch um die Wand herum und nahm die zweite Treppe in Angriff. Er wünschte, seine angedeutete Verkleidung als Priester hätte ihm bei seinem ersten Besuch den Zutritt ermöglicht, dann hätte er

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