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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Dienstboteneingangs gestellt und in den Boden gerammt worden waren. Die Türen hätten sich nach außen geöffnet; der herabgerissene Käfig hatte die Bewohner im Haus gefangen. Cyprian keuchte und riss sich die Handflächen blutig. Wenn er einen Beweis gebraucht hätte, dass es sich um Brandstiftung handelte, dann war die Blockade vor den Türen eindeutig genug; aber seine Gedanken arbeiteten nicht in dieser Richtung. Er hörte sich selbst brüllen: »Agnes! AGNES!«, und Agnes war alles, was sein Denken erfüllte. Wo war das Feuer gelegt worden? Im Erdgeschoss? Und das Dach stand schon in Flammen? Stöhnend arbeitete er weiter, trat mit den Füßen, riss an den Gitterstäben.
    Ein Mann war plötzlich an seiner Seite, steckte eine lange Stange zwischen die Gitter; gemeinsam lehnten sie sich darauf und benutzten sie als Hebel, und die Eisenteile vor dem Haupteingang rutschten weg und gaben den Weg frei. Ein kalter Wasserguss überschüttete Cyprian und seinen Helfer. Beide fuhren herum – ein Mann im Nachthemd stand mit aufgerissenen Augen und einem leeren Ledereimer da. Für den Bruchteil eines Augenblicks nahm Cyprian die Szene in sich auf: die Nachbarn, die von allen Seiten her auf den Brunnen zustürmten; Andrej, der wie ein Wilder an der Kette zerrte, um den Wassereimer heraufzuziehen und währenddessen auf eine zusammengekauerte Frau an seiner Seite einschrie: »Geht es ihm gut? Geht es ihm gut?«; die Wachen, die ihre Helme beiseitewarfen und sich ins Gewühl stürzten, um Ordnung ins Chaos zu bekommen; das hektische Läuten der Sturmglocke am Altstädter Turm; der Mann mit dem Ledereimer, der sie in seiner Panik abgeschüttet hatte; dann fasste er gleichzeitig mit seinem Helfer an den Türgriff. Sie rissen daran und hörten Holz splittern, als sie den Riegel aufsprengten. Die Tür schwang auf, und ein Körper fiel ihnen entgegen. Pechschwarzer Rauch quoll heraus wie ein Kanonenschuss und drang in Cyprians Augen, Nase und Mund ein und nahm ihm die Luft. Der Körper sank zwischen ihnen zu Boden. Einen Moment lang starrte Cyprian in die Augen seines Helfers und erkannte den abgelösten Wachführer vom Altstädter Brückentor. Dann griffen sie zu und schleppten den Mann beiseite. Er rang nach Atem und hustete, krümmte sich in ihrem Griff. Zwei andere Wachen rannten heran, auch sie mit Eimern in den Händen, und schütteten sie über dem halb Besinnungslosen aus, als habe er in Flammen gestanden. Der Mann auf dem Boden spuckte und schlug um sich. Es war Sebastian Wilfing junior.
    Cyprian merkte erst, dass er die Wachen beiseitegestoßen und Sebastian am Kragen hochgezerrt hatte, als er sich brüllen hörte: »Wo ist Agnes? Wo sind die anderen?«
    Sebastian wedelte mit den Armen und hustete und spuckte. Cyprian schüttelte ihn. »Wo sind die anderen!?«
    Sebastian öffnete den Mund und krächzte: »Hilfe!«
    Cyprian holte Atem. Plötzlich verwandelte sich das rußverschmierte Gesicht seines Nebenbuhlers in eine rote Fratze, und eine Stoßwelle blinder Wut überschwemmte Cyprians Verstand. Er holte mit der Faust aus und brüllte unartikuliert. Als er zuschlagen wollte, wurde er daran gehindert. Er wirbelte herum und stieß den Wachführer von sich, der ihn aufzuhalten versucht hatte. Der Mann setzte sich auf den Hosenboden. Der Nachbar im Nachthemd kam mit seinen Ledereimer heran und drehte ihn über dem Wachführer um. Der Eimer war immer noch leer. Der Mann stammelte mit blutleeren Lippen.
    »– weiß nicht –«, gurgelte Sebastian. »– oben –? Bin runtergelaufen – alles voller Rauch –« Er wälzte sich herum und übergab sich.
    Cyprian, den der völlig unter Schock stehende Nachthemdträger wieder zu Bewusstsein hatte kommen lassen, stürmte zum Eingang. Der Wachführer war neben ihm und packte ihn am Arm.
    »Du kannst nicht rein!«, schrie er.
    »Warum nicht? Ich bin doch ein Idiot!«, schrie Cyprian zurück und versuchte die Hand abzuschütteln. Der Wachführer schaffte es, ihn vom Eingang wegzuzerren.
    Über ihnen ertönte ein Donnerschlag, der sie zusammenfahren ließ. Greller Lichtschein flackerte an den Fassaden der Nachbarhäuser auf. Die Eimerkette, die unter Andrejs Kommando hin- und herstolperte und abwechselnd die Fassaden der beiden Nachbarhäuser wässerte, schrie auf und geriet ins Stocken. Als fielen sie durch im Widerschein der Flammen waberndes Wasser, sah Cyprian eine Million Scherben von Fensterglas herunterregnen, gefolgt von Fensterläden und den Trümmern der

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