Die Teufelsbibel
haben.«
»Nein, nein, nein, Euer Gnaden, ich hab nichts getan.« Die Stimme des Mannes war ruhig, aber an seinem fortdauernden Kopfschütteln erkannte Cyprian, dass er am Rand eines Nervenzusammenbruchs war.
»Was hat er gesagt?«, fragte er einen der beiden Wachführer.
»Dass er unschuldig ist.«
Cyprian nickte. »Wo habt ihr ihn gefunden?«
»Hat sich in einer Tordurchfahrt rumgedrückt. Ein Volltrottel. Wenn er sich einfach da drüben mit ans Feuer gestellt hätte, wäre er keinem aufgefallen. Aber so – und mit dem da –« Der Hauptmann hielt eine Binde hoch, die an zwei Stellen mit rötlicher Flüssigkeit verschmiert war und wie die eines versehrten Blinden aussah. Er sah zu dem Gefangenen. Dessen Blick zuckte zwischen Cyprian und dem Hauptmann hin und her.
»Einfacher, als sich einen Fuß abzuhacken«, sagte Cyprian. »Können Sie für mich übersetzen?«
Der Hauptmann nickte. Er wies mit dem Kinn auf den Gefangenen, und dieser wurde auf die Beine gezerrt. Cyprian sah, wie sich sein Brustkorb hob und senkte, und hörte die Panik in seinem schnellen Atmen.
»Hast du das Haus angezündet?«
Der Hauptmann übersetzte in beide Richtungen.
»Nein. Wörtlich: Aber nie im Leben, Euer Gnaden, ich doch nicht. Ich bin ein armer, bli…«
»Was?«
»An dieser Stelle hat er sich unterbrochen.«
»Glauben Sie ihm?«
Der Hauptmann musterte Cyprian. Schließlich hob er die Schultern. »Er hat nicht lange genug über seine Antwort nachgedacht«, sagte er dann. Er drehte sich um und drosch dem Gefangenen die Faust in den Bauch. Als dieser mit hervortretenden Augen zusammenklappte, schlug er ihm die Faust auf den Schädel. Der Mann fiel auf alle viere und grunzte. Seine Augen verschleierten sich. Die Wachen rissen ihn wieder in die Höhe. Cyprian packte den Arm des Hauptmanns.
»Nur keine falsche Zurückhaltung«, zischte der Hauptmann. »Seinetwegen hätte die halbe Stadt abbrennen können.«
Der Gefangene gurgelte und blubberte und versuchte, auf den Beinen zu bleiben. Cyprian griff ein Büschel Haare und zerrte ihm den Kopf nach oben. Er starrte ihm ins Gesicht. Der Mann stöhnte und verdrehte die Augen.
»Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte er. »Du kriegst das hier angehängt und brennst bei lebendigem Leib, oder du sagst mir, was du gesehen hast.«
Der Mann schielte. Seine Lippen zitterten.
»Du verstehst mich schon«, sagte Cyprian. »Einer wie du versteht immer alle Sprachen.«
Cyprian sah die Faust des Hauptmanns heranfliegen, dann wurde ihm das Büschel Haare aus den Fingern gerissen, als der Kopf des Gefangenen zur Seite flog. Die Knie des Mannes gaben nach, und er setzte sich hart auf den Boden. Der Hauptmann rieb sich die Knöchel. »Wenn wir genügend Zähne lockern, lockern sich vielleicht auch seine Lippen«, knurrte er.
Cyprian bückte sich und kauerte sich neben den Mann, der sich stöhnend mit einem Finger im Mund herumfuhr. Als er den Finger herauszog, hing ein langer Blut- und Spuckefaden daran. Der Mann verzog schmerzlich das Gesicht und spuckte vorsichtig aus.
»Für wen arbeitest du?«, fragte Cyprian. Der Mann starrte ihn an. »Du hast das Haus bespitzelt, stimmt’s? Für wen arbeitest du?«
»Bespitzelt?«, echote der Hauptmann. Er hob einen Stiefel. Der Gefangene gab ein wimmerndes Geräusch von sich und rutschte beiseite. Cyprian hockte sich zwischen ihn und den Hauptmann.
»Pater Xavier?«, versuchte Cyprian es aufs Geratewohl.
Der Gefangene erstarrte. »Pater Scheiß-Xavier«, sagte er dann mit hartem Akzent und ebenso unüberhörbarem Hass in der Stimme. »Ich für Pater Scheiß-Xavier. Alles Scheiße. Weißt du?«
»Ich weiß gar nichts«, sagte Cyprian. »Erzähl’s mir.«
Der Mann schüttelte den Kopf.
»Lassen Sie mich mal fragen«, sagte der Hauptmann.
Cyprian bewegte sich nicht vom Fleck. Der Hauptmann schnaubte verächtlich. Cyprian wandte sich um, nahm dem Hauptmann die Augenbinde ab und warf sie dem Gefangenen in den Schoß. Dieser versuchte, sie nicht anzusehen.
»Die machen dich fertig«, sagte Cyprian und deutete auf die Wachen. »Die hängen dir den Brand an, den Mord an Yolanta und natürlich betrügerisches Betteln. So wie du sterben wirst, wirst du direkt in die Hölle kommen, weil das Fegefeuer nicht schlimmer sein kann als dein Tod. Ist Pater Xavier mehr zu fürchten als das?«
Er sah die Antwort in den Augen des Gefangenen: Ja. Doch der Mann schluckte.
»Mir reicht’s jetzt«, sagte der Hauptmann hilfreich. »Jungs, gebt mir mal ein
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