Die Teufelsbibel
Messer. Ein stumpfes.«
»Ich rede nur dir!«, keuchte der Mann und sah Cyprian flehentlich an. »Nur dir!«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Ich ihr folge«, flüsterte der Mann und deutete dort hinüber, wo Yolantas stille Gestalt lag. »Ich ihr folge, weil Pater Scheiß-Xavier sagen. Sie geht hier. Ich folge. Sie geht Haus.«
»Warum wollte der Dominikaner, dass du sie beschattest?«
Der Mann zuckte mit den Schultern, deutete aber wieder hinüber. »Er.«
»Wegen Andrej?«
»Weiß ich? Sagen mir nichts. Immer nur: Mach dies, mach das.«
»Na gut. Was ist dann passiert?«
»Ich warte. Frau kommt raus – andere. Geht weg. Ich warte. Dann kommen …« Er hielt Zeige- und Mittelfinger in die Höhe. »Zwei?«
»Zwei Neuankömmlinge. Männer oder Frauen?«
Der Mann deutete eine niedrige und eine hohe Spanne vom Boden an.
»Ein kleiner und ein großer, ja. Eine Frau und ein Mann?«
Der Mann schüttelte den Kopf. Er kämpfte mit sich und seufzte. Schließlich hob er die Hände und tat so, als würde er etwas über den Kopf streifen, und faltete sie dann wie zum Gebet.
»Kapuze? Frömmigkeit? Beten? Mönche!?«
Der Gefangene nickte.
»Sie rein. Lange nichts. Dann kommen wieder raus. Großer trägt Kleinen. Klein ist …« Der Gefangene lieferte eine überzeugende Pantomime eines Menschen ab, der halb tot in den Armen eines anderen hängt. »Dann – Wasser.« Er wies zum Brunnen hinüber, ballte beide Fäuste und rüttelte an der Luft.
»Sie haben den Käfig über dem Brunnen zerlegt?«
»Ja. Und gemacht …« Eine neue Pantomime. Jemand versuchte, eine Tür zu öffnen, und kam nicht weiter.
»Sie haben die Türen verbarrikadiert«, sagte Cyprian. »Ich weiß.«
»Dann – weg.«
Cyprian nickte langsam.
»Das glauben Sie doch nicht etwa?«, fragte der Hauptmann. Cyprian sah zu ihm hoch, dann stand er auf und nahm ihn einen Schritt beiseite.
»Eine so abstruse Geschichte? Ich hätte ihm keine geglaubt, die glatter oder logischer wäre. Außerdem weiß ich, dass es den Dominikaner, von dem er sprach, wirklich gibt.«
Der Hauptmann brummte etwas.
»Vielleicht verhält sich die Geschichte ganz anders«, sagte Cyprian. »Vielleicht haben die Mönche Agnes entführt, und Yolanta wollte sie daran hindern. Er hat nur zwei Gestalten gesehen, aber kann die eine davon nicht Agnes gewesen sein, während der zweite Mönch sich irgendwo anders rausschlich?« Er dachte an die Pantomime. Plötzliche Rastlosigkeit machte ihn kurzatmig. »Nein, er hat gesagt, sie hätte schon vorher das Haus verlassen. Haben sie sie abgefangen und irgendwo gefesselt zurückgelassen? Aber warum dann Yolanta? Jedenfalls ist das eine Spur. Danke, dass Sie mir geholfen haben. Die Masche ›Guter Inquisitor – Böser Inquisitor‹ zieht immer.«
»Hä?«, machte der Hauptmann.
»Können Sie den Mann festhalten? Vielleicht brauche ich ihn noch mal.«
»Wir werfen ihn sowieso in den Kerker«, sagte der Hauptmann. »Das brauchen Sie uns nicht zu befehlen.«
»Erhalten Sie ihn in einem Zustand, dass ich ihm noch Fragen stellen kann.«
Der Hauptmann musterte ihn. Cyprian merkte, dass er Sympathien zu verlieren begann. Er zuckte mit den Schultern.
»Die Mönche«, wandte er sich an den Gefangenen. »Gibt es irgendwas Besonderes an ihnen, außer dem Größenunterschied? Irgendwas an ihren Kutten oder so?«
Der Gefangene gab Cyprians Blick zurück. Nach ein paar Augenblicken wischte er mit der Handfläche über den Boden und hielt sie nach oben. Sie war schwarz vor Ruß und Dreck.
»Schwarze Kutten?« Die zerfledderte Gestalt auf dem Mauerrest von Podlaschitz fiel ihm ein, die kein Mönch gewesen war, aber eine alte, zerschlissene Kutte gefunden hatte,um sich darin einzuhüllen. »Die Mönche trugen schwarze Kutten?«
Der Gefangene nickte. Cyprian wandte sich ab.
Andrej stand vor ihm. Seine Augen waren weit aufgerissen und auf den Gefangenen gerichtet. Cyprians Erinnerung an das Gespräch mit Andrej vor den Mauern von Podlaschitz setzte ein, und ihm war, als sähe er die Bilder, die dieses Gespräch projizierte, auch in Andrejs Augen. In Panik flüchtende Schatten. Ein schwarzer Mönch mit Blut an den Händen. Eine geschwungene Axt.
»Mönche mit schwarzen Kutten«, sagte er leise. »Sie haben deine Eltern und zehn unschuldige Frauen und Kinder auf dem Gewissen, sie haben Yolanta ermordet, sie hätten beinahe die ganze Stadt in Flammen aufgehen lassen, und sie sind die einzige Spur zu Agnes. Der Kreis schließt sich, Andrej.«
Andrej
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