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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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hielt eine Hand in die Höhe. Etwas baumelte darin, etwas, das wie eine Münze aussah. »Das ist das zweite Mal, das ich so etwas finde«, sagte er kaum hörbar. »Das erste Mal fiel es mir vor die Füße, als ein Mann tot vor mir zusammenbrach. Dieses Mal habe ich es einer toten Frau aus den Händen genommen. Sie muss es einem von den Kerlen abgerissen haben.«
    Cyprian starrte auf das sich langsam drehende Medaillon. Es glänzte stumpf. »Das Siegel einer Bruderschaft«, sagte er.
    »Ich komme mit dir«, sagte Andrej.
    8
    »Irgendwann musste das geschehen«, sagte Pater Xavier. »Unvorsichtigkeit ist ein Fluch.«
    »Mich haben sie jedenfalls nicht entdeckt, Pater«, sagte der Junge stolz. Er lief hinter dem Dominikaner her, der scheinbarlangsam die Treppe hochstieg. Im ersten Geschoss angekommen stellte der Junge fest, dass er ins Schnaufen geraten war.
    »Hast du gehört, was er zu den Wachen und zu Cyprian Khlesl gesagt hat?«
    »Nicht alles, Pater. Ich hatte mich unter die Leute beim Feuer gemischt, da war es schwierig, gleichzeitig zu lauschen. Aber ich habe auch gesehen, was er gesehen hat – die schwarzen Mönche.«
    »Cyprian und Andrej haben die Verfolgung aufgenommen?«
    »Scheint so, Pater.«
    »Und Yolanta ist tot?«
    »Keine Ahnung, Pater. Sie haben gesagt, ich soll mich auf nichts anderes – äh – konz… kronzen…«
    »Konzentrieren. Ja. Schon gut.« Pater Xavier machte sich an einem von zwei Verschlägen schaffen. Der Junge roch Vogelkot. Der Dominikaner musste tief in den einen Verschlag hineinfassen und holte eine Handvoll grauer Federn daraus hervor. Fasziniert betrachtete der Junge, wie Pater Xavier sich an einen kleinen Tisch setzte, einen Köcher am Bein der Taube öffnete und eine Botschaft hineinschob, die er offenbar schon länger vorbereitet hatte. Als er den Holzverschlag öffnete und frische Luft hereinkam, begann in dem anderen Verschlag ein aufgeregtes Gurren und Trippeln. Als der Junge seine Augen davon ab- und wieder Pater Xavier zuwandte, begegnete er dessen amüsiertem Blick.
    »Die hier«, sagte der Dominikaner und wies mit einem Kopfnicken auf den ungeöffneten Verschlag, »verbinden mich mit Rom.« Er hob die Taube, die er in Hand hielt, an die Öffnung und ließ sie los. Die Taube startete mit dem üblichen hektischen Flirren. »Die hier nicht.«
    Der Junge glaubte ein verächtliches Lächeln wahrzunehmen, doch dann schien das schmale Gesicht des Mönchs so unbewegt wie immer. Gemeinsam kletterten sie hinab in dieschmale Zelle, wo Pater Xavier begann, seine Bibel und seine Schreibutensilien in ein Bündel zu packen.
    »Eigentlich«, sagte Pater Xavier, »hätte ich eine der Tauben losschicken sollen, die mich mit Rom verbinden. Selbstverständlich mit einer anderen Botschaft als der, die ich versandt habe. Aber ich habe das Gefühl, dass der Zeitpunkt gekommen ist, an dem ich mich lossprechen sollte. Hast du das verstanden?«
    »Nö«, sagte der Junge, der das Gefühl hatte, dies wäre die richtige Antwort, selbst wenn es gelogen gewesen wäre.
    Pater Xavier nickte und schnürte sein Bündel zu.
    »Wo gehen Sie hin, Pater?«
    »Die Jagd hat begonnen, mein Kleiner. Ich folge ihrem Ruf.« Er warf eine Münze auf den Tisch. Sie hatte einen anständigen Wert. Der Junge machte große Augen, dann schnappte er sie. »Geh deiner Wege. Es war gut, dass ich einen Spitzel für den Spitzel hatte.«
    »Die richtige Wahl, Pater«, sagte der Junge und blähte sich. »Auf mich ist Verlass.«
    »Es ist immer von Vorteil, wenn auf meine Helfer Verlass ist«, sagte Pater Xavier und lächelte den Jungen zum ersten Mal an. Während er sah, wie die Doppeldeutigkeit ins Bewusstsein des Jungen sank und dessen pompöses Grinsen in dem Maß verlosch, in dem das Wolfslächeln einen Eiszapfen in sein Herz senkte, erinnerte der Dominikaner sich daran, wie er zu seinem zweiten Spitzel gekommen war. Der Junge war ihm in eine verlassene Gasse gefolgt und hatte ihm dort seine ältere Schwester angeboten; als Pater Xavier abgelehnt hatte, seine jüngere Schwester; als auch dieses Angebot auf Desinteresse stieß, sich selbst – alles innerhalb weniger Sekunden und ohne dass das zuversichtliche Grinsen von seinem mageren Bubengesicht verschwunden wäre. Beeindruckt von derart skrupelloser Flexibilität, hatte Pater Xavier einen anderen Dienst für ihn gefunden.
    Der Junge schluckte. »Untertänigsten Dank für alles, Hochwürden«, sagte er.
    Pater Xavier verließ seine Bleibe, ohne sich auch nur einmal

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