Die Teufelsbibel
Wiegant.
»Schrei mich nicht an, Niklas Wiegant! Das habe ich nicht verdient! Ich halte dein Haus und dein Vermögen zusammen, während du auf Reisen bist, und sehe zu, dass kein Unheil geschieht. Und was tust du? Suhlst dich in geilem Fleisch und erwartest, dass ich das Balg nähre! Und lieben soll ich es auch noch? Warum hatte die Schlampe nicht die Vernunft, das Balgeinfach wegzulegen? Gibt’s hier in Wien nicht genug Senkgruben? Oder hätte sie es nicht einfach ersticken können, wie es die anderen ledigen Mütter tun? O nein, Meister Wiegant, erzähl mir nichts – da war Geld im Spiel, sonst hätte sie es getan, und das Geld stammt aus deinem Beutel! Wer war sie, Niklas? Er hat mir eine grässliche Geschichte von einem Findelhaus aufgetischt, Pater, aber als ich verlangte, dorthin geführt zu werden, hat er sich geweigert!«
»Theresia, ich wollte nicht, dass du siehst, was dort –«
»War sie eine Hure? Ziehe ich das Balg einer gefallenen Frau auf, bei der du dich befriedigt hast? Schämst du dich nicht, zu einer anderen zu gehen, wo ich zu Hause bin und meine Pflicht an dir erfüllen kann?«
»Ich habe nicht –«
»O Herr, ich rufe Dich an in meiner Ratlosigkeit: so viele illegitime Kinder sterben in den Spitälern – hättest Du dieses nicht auch zu Dir nehmen können? Mein einziges, mein ehrliches Kind hast Du mir genommen – warum lässt Du ein unehrliches Kind leben?«
»Lasset die Kindlein zu mir kommen, sagt unser Herr Jesus Christus.«
»Du hast kein Recht, die Worte unseres Herrn in den Mund zu nehmen, Niklas Wiegant! Du bist beschmutzt, und du hast Schmutz in unser Haus gebracht. Sagen Sie’s ihm, Pater Xavier, dass er sündigt!«
Pater Xavier, dessen Faszination mit jedem Wort Theresias gestiegen war, sagte nichts. Theresia stampfte mit dem Fuß auf.
»Ich habe geschwiegen, Niklas Wiegant, ich habe geschwiegen, achtzehn Jahre lang habe ich geschwiegen, weil ich nicht wollte, dass die Fäulnis, die du in unser Haus gebracht hast, nach draußen dringt. Doch jetzt schweige ich nicht mehr. Ich lasse nicht zu, dass du deine Sünde öffentlich machst! Du hast unser Haus zerstört, Niklas – ich werde verhindern, dass du auch noch das eines Freundes zerstörst!«
Theresia Wiegant trat einen Schritt zurück. Ihr Gesicht glühte. »Pater Xavier, wenn Sie sein Freund sind, dann bringen Sie ihn zur Vernunft. Und wenn er sich nicht zur Vernunft bringen lässt, dann – dann seien Sie mein Freund und – exkommunizieren Sie ihn! Lieber sehe ich zu, wie man ihn vor der Stadtmauer totschlägt, als dass ich Zeuge werde, wie er selbst seine Seele der Hölle überantwortet!«
»Theresia!« Niklas Wiegant sah aus, als müsste er sich jeden Moment übergeben.
Theresia stakste mit steifen Schritten hinaus – eine Königin, die soeben den Befehl gegeben hatte, ihr eigenes Land vor dem heranrückenden Feind zu verbrennen. Pater Xavier war von ihrer Leidenschaft beeindruckt. Was könntest du mit diesem Feuer anfangen, Weib, dachte er, wenn du dich nicht dafür entschieden hättest, mit seiner Hilfe dein Leben und das deines Gatten zu verbrennen? Im Raum blieb Schweigen zurück, sah man von den krampfhaften Atemzügen ab, mit denen Niklas Wiegant versuchte, seine Fassung wiederzuerlangen.
»Es tut mir leid, dass ich nicht die Geistesgegenwart fand, den Raum zu verlassen«, sagte Pater Xavier schließlich. »Dies war nicht für meine Ohren bestimmt.«
»So schlimm war es noch nie. Sie ist völlig außer Fassung geraten, als ich ihr meine Heiratspläne für Agnes mitteilte.«
Pater Xavier lächelte. »Wie immer denken Sie an die Zukunft Ihres Hauses, mein Freund, und an die Ihrer Lieben.«
»Pater Xavier, das Mädchen ist kein Bastard! Sie müssen mir glauben.«
»Es geht mich überhaupt nichts an, mein Freund. Sie sind mir keine Rechenschaft schuldig. Meine Kenntnis der Vorgänge, die dazu führen, dass ein Mann eine Frau begehrt, ist gering und seit langem zu Asche geworden in meinem Herzen, aber ich glaube zu wissen, wie stark sie in den Herzen anderer Männer wirken können.«
»Sie ist – ich habe sie –« Niklas Wiegant musterte PaterXaviers Gesicht. Plötzlich hob er die Hände über den Kopf, ließ sie wieder fallen, setzte sich schwer auf eine Truhe und starrte den Boden an. »Das Kind war eine Waise. Ich ahnte, dass es sterben würde, wenn ich ihm nicht half. Es war nur ein paar Wochen alt und so schwach, dass es aussah wie ein Greis. Es hatte die Augen offen, doch ob es etwas
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