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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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fragte Kardinal Madruzzo gehässig.
    »Eher aus den alten Zeiten in Madrid, Eminenz«, erklärte Pater Xavier, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Das wäre dann alles, Pater Xavier«, sagte Kardinal de Gaete.
    Pater Xavier erhob sich, dann tat er, was er zu tun geplant hatte, seit die Wärme in seine Gliedmaßen zurückgekehrt war. Er kniete vor Kardinal de Gaete nieder, streckte die Hände aus und faltete sie. »Segnen Sie mich, Eminenz, damit ich meiner Aufgabe gewachsen bin.«
    Der alte Kardinal zögerte einen Augenblick, dann umfing er Pater Xaviers Hände mit den seinen. Pater Xavier hatte das Gefühl, die eiskalte Haut eines Toten berühre ihn. Er starrte Kardinal de Gaete gerade lange genug in die Augen, um den Ausdruck der Überraschung und der Unsicherheit darin wahrzunehmen, dann senkte er den Kopf.
    »Gehen Sie mit Gott, Pater Xavier«, sagte Kardinal de Gaete.

1591:
Eintritt in die
Unterwelt
    »Es bedarf nur eines Anfangs, dann
erledigt sich das Übrige.«
    Sallust, Bellum Catilinae

1
    Niklas Wiegant und seine Frau hatten sich gestritten. Es war keine Bagatelle gewesen, es handelte sich um einen jahrealten, tief sitzenden Konflikt, es hatte, seit es ihn gab, niemals Frieden, sondern bestenfalls Phasen von Waffenstillstand zwischen ihnen gegeben; und er war auch heute nicht beendet worden, sondern würde weitergehen, heute Abend, morgen, übermorgen – wann immer etwas geschah, das die Wunde aufriss, aus der der Konflikt entstanden war. All das erkannte Pater Xavier innerhalb eines Augenblicks, als er von der Magd in die große Stube im Obergeschoss des Wiegant’schen Hauses geführt wurde. Er wusste nicht, was der Grund für den Streit war; doch er ahnte, dass die Wunde auf Seiten der Hausherrin größer und tiefer war als auf Seiten des Hausherrn und dass dieser niemals begreifen würde, warum all seine Bemühungen sie nicht schlossen. Jemand war überzeugt, dass man ihn betrogen hatte und dass man auf seinen Gefühlen herumtrampelte. Es gibt im Himmel keinen Zorn wie den einer Liebe, die zu Hass geworden ist, dachte Pater Xavier, und in der Hölle keine Wut wie die einer betrogenen Frau.
    Er hatte Theresia Wiegant nie gesehen und betrachtete sie mit der Aufmerksamkeit, die er allen Menschen zuteilwerden ließ, in welchen er das Talent erkannte, ein Hebel zu sein, den er, Pater Xavier, zur rechten Zeit würde ansetzen können. Niklas Wiegant hatte sich verändert; sein Gesicht war in den fünfzehn Jahren seit ihrer letzten Begegnung faltiger und hohlwangiger geworden, sein Bauchansatz größer, in seinem Haar war mehr Grau als Schwarz. Überrascht erkannte Pater Xavier, dass dies nicht mehr der Mann war, mit dem er damals die Lieferkette aufgezogen hatte, an der alle verdient hatten: die angeblich ausgestochenen spanischen Lieferanten, der als ihr Strohmann auftretende deutsche Kaufmann, der Erzbischof von Madrid, sein Bruder. – Etwas war verlorengegangen oder zerbrochen; mit dem Mann, den er hier vor sich sah, hätte Pater Xavier es sich zweimal überlegt, den Verkauf von Wasser in der Wüste zu organisieren.
    »’n dominikanischer Mönch will Sie sprechen, Herr«, sagte das Dienstmädchen und knickste.
    Niklas Wiegant drehte sich um. Zuerst starrte er nur mit zusammengekniffenen Lidern. Dann weiteten seine Augen sich. Er eilte durch den Raum, breitete die Arme aus, blieb plötzlich stehen und ließ sie sinken. »Das gibt’s doch nicht«, rief er. »Pater Xavier? Ich glaub’s nicht! Wie lange ist das denn her? Und Sie sind keinen Tag gealtert, ich schwör’s! Meine Güte, was treibt Sie denn nach Wien? Wie viele Jahre sind das jetzt?« Niklas Wiegant hob erneut die Hände, um Pater Xavier wie früher an den Schultern zu packen und ihm dann beim Händeschütteln die Sehnen an den Handgelenken zu zerren, doch im letzten Moment schreckte er zurück. Seine Arme pendelten hilflos an seiner Seite. »Sie sehen so – würdig aus. Dabei haben Sie immer noch die schwarzweiße Kutte an, so wie früher.«
    Pater Xavier setzte der Verlegenheit ein Ende, indem er die Hände hinter dem Rücken zusammenschlug und den Kopf neigte.
    »Fünfzehn Jahre ist es her, Herr Wiegant«, sagte er und war stolz darauf, fast akzentfrei sprechen zu können. »Und ich bin, was ich immer war und sein wollte: ein einfacher Gefolgsmann des heiligen Dominikus.«
    »Der Bart«, sagte Niklas Wiegant. »Deshalb hab ich Sie nicht gleich erkannt.«
    Pater Xavier nickte. Das Gestrüpp in seinem Gesicht fühlte sich auch für ihn

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