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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Eltern anhörte und weil sie genau wusste, dass ihre Mutter diesen Vorwurf erkennen und aggressiv darauf reagieren würde, während ihr Vater, der ihn ebenso erkannte, hilflos mit den Schultern zuckte. Sie wollte sagen, dass sie Cyprian liebte, doch sie erkannte, dass es zu viel und zugleich zu wenig gewesen wäre. Er macht mich ganz, flüsterte sie in sich hinein. Er nimmt mich, wie ich bin. Er lacht mit mir. Ich bin ihm keine Last, sondern eine Freude. Doch auch dies alles wären versteckte Vorwürfe gewesen. Sie verstummte mit einem Misslaut.
    »Worauf will sie hinaus, Niklas?«, fragte Theresia.
    »Sie will Cyprian Khlesl heiraten, den zweiten Sohn des Bäckermeisters von gegenüber«, sagte Niklas. Sein Gesicht sah traurig aus.
    »Junge Dame, wenn dein Vater einen Bräutigam für dich aussucht, dann hast du keine eigenen Vorschläge …« Theresia schloss den Mund. Sie kniff die Augen zusammen.
    »Aber Mutter, Sie haben doch selbst gesagt, dass Sie gegen die Heirat mit …«
    »Cyprian KHLESL?«, dehnte Theresia.
    »Ja.«
    »Der Sohn des Ketzers?«
    »Mutter, sie sind konvertiert, als Cyprian noch ein Kind …«
    »Ehemalige PROTESTANTEN?«
    »Aber Mutter, sein Onkel ist Hofkaplan und Bischof von Wiener Neustadt! Sie sind konvertiert!«
    »Es gibt keine Konvertierten!«, schrie Theresia. »Einmal ein Protestant, immer ein Protestant! Man kann den Glauben nicht verlassen, mit dem man getauft worden ist! Wer es tut, tut es nur, um einen Vorteil daraus zu erlangen, und nicht, um Gott damit zu ehren.«
    »Theresia«, sagte Niklas, »nicht mal der Papst sieht es so streng.«
    Agnes’ Mutter funkelte ihren Mann an. Der Blick ließ keinen Zweifel daran, dass der Papst in puncto Glaubensfestigkeit einige Lektionen von Theresia Wiegant vertragen konnte.
    »Kommt nicht in Frage!«, zischte sie. »Ich werde nicht die Schwiegermutter eines Ketzers, ob er nun in den Schafspelz geschlüpft ist oder nicht.«
    »Aber Mutter …«
    »Niklas, würdest du vielleicht auch endlich sprechen und dieses renitente – unsere Tochter zu Vernunft bringen, anstatt mir zu erklären, wie der Heilige Vater die Dinge sieht!«
    Balg, dachte Agnes. Dieses renitente Balg, wolltest du sagen. Sie fühlte Tränen in ihre Augen schießen und etwas wieeine heiße Lanze, die in ihr Innerstes gestoßen wurde. Sie wandte ihr Gesicht ihrem Vater zu und spürte, wie die Tränen über ihre Wangen liefen. Ihr Vater war eine krumm stehende, unglückliche Gestalt, deren Form vor ihrem Blick verlief und kein Gesicht hatte.
    »Ich kann dir die Erlaubnis nicht erteilen, Agnes«, sagte Niklas Wiegant. »Du wirst den jungen Sebastian Wilfing heiraten.«
    »NEIN!«, schrie Agnes.
    »Wir haben vereinbart, dass wir die Verlobung bekannt geben, sobald Sebastian und Sebastian junior aus Portugal zurück sind …«
    »NEIN!«
    »… und dass die Heirat nach Ostern nächstes Jahr stattfinden soll.«
    »NEIN. NEIN. NEIN. Vater, bitte, hören Sie mich an, Vater, nein!«
    »HÖR AUF ZU SCHREIEN!«, donnerte Theresia. Sie sprang auf und lehnte sich über den Tisch. Agnes zuckte zurück. »HÖR AUF, IN MEINEM HAUS HERUMZUSCHREIEN! DU HAST KEIN RECHT, HIER DIE STIMME ZU ERHEBEN!«
    Agnes sprang ebenfalls auf. Überrascht erkannte sie, dass sie ihre Mutter um einen halben Kopf überragte. Es war ihr nie zuvor aufgefallen. Die Tränen in ihren Augen ließen ihr Blickfeld schwimmen, und irgendein Trick ließ die Hände Theresias, die sich auf die Tischplatte stützten, klar und deutlich hervortreten. Agnes sah die Ringe an den Fingern, sah die gebräunte Haut, die davon kam, dass Theresia sich auch in das Jäten des Kräutergartens, das Aufhängen der Wäsche und das Schrubben der Stufen vor dem Hauseingang einmischte; sah die verdickten Knöchel der beiden letzten Finger an den Händen ihrer Mutter, die Sehnen, die sich über die Handrücken zogen, die beginnenden Altersflecken. Vor allem aber sah sie, dass die Finger zuckten. Sie wusste, dass es nichtaus Erregung geschah, sondern aus Abscheu. Es war das letzte bisschen, das nötig war, um Agnes über die Schwelle zu stoßen.
    »Ich habe kein Recht?«, schrie sie zurück. »Weil ich nicht Eure Tochter bin? Weil ich nur ein Balg bin, das der Herr des Hauses von irgendwo mitgebracht hat und das dankbar sein muss, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben? Das niemanden hier Vater oder Mutter nennen kann, weil es weder einen Vater noch eine Mutter hat und das Gott der Herr hätte tausendmal sterben lassen sollen anstelle

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