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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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es darauf ankam, schneller zu buddeln als der Feind. Der Stadtknecht warf einen Blick auf den rot werdenden Westhimmel.
    »Die Sonne geht, das Volk geht auch«, sagte er in unmelodischem Singsang
    »Wir sind gleich weg«, sagte Agnes leise. »Es ist so schön hier heroben.«
    Der Stadtknecht entdeckte etwas Glänzendes in Cyprians Fingern. Als es ihm zugeschnippt wurde, bereitete es ihm keine Mühe, es zu fangen. Die Blicke des Stadtknechts huschten an Agnes auf und ab, er zwinkerte Cyprian zu und machte eine anerkennende Miene, ehe er weitermarschierte.
    »Da wäre noch ein Anwärter, falls du dich weder für Sebastian Wilfing noch für mich entscheiden kannst«, sagte Cyprian.
    Agnes lächelte nicht. »Er hat dir gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen«, sagte sie. »Dieser pompöse Bastard.«
    Cyprian fand es unnötig zu widersprechen.
    »Hat er dir gedroht?«
    »Ist doch völlig egal, Agnes. Denk einfach nicht an ihn.«
    »Wie soll ich nicht an ihn denken, wenn ich ihn nächste Ostern heiraten soll?«
    »Ich rede noch einmal mit deinem Vater.«
    Agnes warf die Hände in die Höhe und ließ sie wieder fallen. Sie gab einen Laut der Hoffnungslosigkeit von sich. Als sie sich abwandte und nach draußen sah, füllte das Licht der schwindenden Sonne ihr blasses Gesicht mit Wärme und Leben. Cyprian streckte eine Hand aus und strich mit einem Finger über ihre Wange.
    »Geh mit mir weg«, flüsterte sie.
    »Wohin?«
    Sie packte seine Hand und drückte sie. »Nach Virginia«, stieß sie hervor. »Geh mit mir nach Virginia! Ich habe Vater darüber reden hören. Einer von den englischen Kaperfahrern hat in der Neuen Welt eine Kolonie gegründet. Zuerst war es nur ein Schlupfwinkel für die Seeräuber, aber jetzt will man, dass sich Menschen dort ansiedeln. Vater hat bereits darübernachgedacht, ob man sich exklusive Handelsrechte nach dorthin sichern sollte.«
    »Sir Walter Raleigh«, sagte Cyprian. »Er hat es Virginia genannt zu Ehren der Jungfräulichkeit von Königin Elisabeth. Ich habe auch davon gehört. Die Namensgebung hat einige Lacher hervorgerufen. Das sind alles Protestanten, Agnes.«
    »Das ist mir doch so egal wie dir, Cyprian!«
    »Vielleicht ist es denen nicht egal, dass wir Katholiken sind.«
    »Dann konvertieren wir! Ich glaube an die Liebe, Cyprian, nicht an irgendeine Konfession!«
    »Agnes!« Cyprian wand seine Hand aus der ihren und betrachtete die Stellen, an denen ihre Fingernägel blutunterlaufene Halbmonde in seine Haut gedrückt hatten. »Ich bin einmal konvertiert. Ich konvertiere nicht noch einmal. Mein Onkel hat meine Familie nicht überredet – er hat uns überzeugt.«
    »Aber um meinetwillen!«
    »Ich gehe um deinetwillen bis ans Ende der Welt – vor allem mit dir. Virginia?« Er nahm ihre Hände und drückte sie. »Wenn sie uns nicht als Katholiken haben wollen, dann zum Teufel mit ihnen.«
    »Du willst es tun?«
    »Als dein Mann, ja.«
    Sie starrte ihn an. Cyprian fühlte einen Stich, als das Funkeln aus ihren Augen wich. »Aber«, sie stöhnten, »du weißt doch …«
    »Ich flüchte nicht«, sagte er. »Unser ganzes Leben würde ständig im Zeichen der Flucht stehen, und das Wissen, dass wir hier ein Unrecht begangen haben, würde zwischen uns stehen. Nach einem Jahr würdest du dich nur noch vage daran erinnern, dass du deine Eltern gehasst hast; nach zwei Jahren würdest du mir die Schuld dafür geben, dass du sie ohne Abschiedswort verlassen hast; nach drei Jahrenwürdest du aufgehört haben, sie zu hassen, und dafür mich hassen.«
    »Nein!«, rief sie. Sie entriss ihm ihre Hände. »Nein, das würde ich nie tun!«
    Ihr Blick suchte den seinen. Cyprian wich ihr nicht aus. Ihm war klar, dass dies das erste Mal war, dass er sich einem ihrer Wünsche widersetzte. Er blinzelte nicht. Er hatte nie wirklich gewusst, was sie in ihm sah oder was sie zu ihm hinzog, von diversen Rettungsaktionen abgesehen, die auch ein anderer vollbracht hätte, wäre er nur so schnell zur Stelle gewesen wie Cyprian. Aber er wusste, was sie in ihm sehen würde, wenn er jetzt nachgab – was sie in ein paar Jahren in ihm sehen würde: den Mann, der ihre Familie zerstört hatte.
    Agnes senkte den Kopf. Er fühlte ihre Hände kalt und leblos werden. Als er sie losließ, sanken sie herab. Sie ließ sie hängen.
    »Wir haben keine Chance«, sagte sie und starrte wieder hinaus in den Sonnenuntergang. »Wir haben keine Chance, keine Chance.«
    Er trat hinter sie und nahm sie in die Arme. Er roch den Duft ihres

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