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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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er und meine Mutter sich sogar einig. Wenn sie unterschiedlicher Meinung gewesen wären – aber so …«
    »Ich hätte nicht versucht, deine Mutter und deinen Vater in dieser Frage gegeneinander auszuspielen.«
    Agnes warf Cyprian einen Blick zu. »Nicht mal um meinetwillen?«
    Cyprian vermutete, dass es halb scherzhaft hatte klingen sollen, aber es klang nur verzweifelt. Er setzte ein Lächeln auf. »Es gibt nichts, was ich um deinetwillen nicht tun würde«, sagte er. »Außer, deinem Vater eins auf die Nase zu geben.« Der Scherz war verunglückt. Cyprian verfluchte sich innerlich dafür. Agnes hatte genauso wie alle anderen mitbekommen, was damals passiert war.
    »Wir haben keine Chance, Cyprian«, sagte Agnes. »In ein, zwei Wochen geben sie meine Verlobung mit Sebastian Wilfing bekannt, und dann ist alles aus.«
    »Ein, zwei Wochen sind eine lange Zeit, um sich etwas einfallen zu lassen.« Cyprian stellte fest, dass es ihm schwerfiel, den Optimisten zu spielen. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. In den letzten Wochen hatte er mehrfach versucht, mit Niklas Wiegant zu sprechen. Der Kaufmann hatte ihm stets einen Termin verweigert; es schien, dass der sonst so zugängliche Mann sich davor fürchtete, jemand könnte ihm in aller Ruhe auseinandersetzen, dass er seine einzige Tochter auf den Weg in ihr Unglück schickte. Cyprian hatte aus Agnes’ Berichten herausgehört, dass mehr hinter der Weigerung, einer Verbindung der Familien Khlesl und Wiegant zuzustimmen, zu stecken schien als nur ein Versprechen unter Geschäftsfreunden oder die Raison d’être zweier Firmen, die hart um ihr Überleben kämpften. Agnes hatte nackte Angst in den Augen ihres Vaters gesehen. Cyprian konnte sich nicht vorstellen, was es war, das Niklas Wiegant trieb – doch er vermutete, dass ein Gesprächstermin mit Agnes’ Vater ihm zumindest einen Hinweis eröffnen würde. Vielleicht lag auch darin Niklas Wiegants Verweigerung begründet; ohne jede Selbstüberschätzung wusste Cyprian aus den früheren Begegnungen mit Agnes’ Vater, dass dieser ihm eine Menge zutraute. Umso weniger verständlich war es, dass er sich darauf versteifte, Agnes mit Sebastian Wilfing junior zu verheiraten.
    »Sebastian ist ein Teigkloß«, murmelte Agnes hasserfüllt. Cyprian horchte schon lange nicht mehr auf, wenn ihrer beider Gedanken wieder einmal parallel liefen. »Er ist drei Wochen vor seinem Vater von der Reise zurückgekommen, angeblich um sich auf die Verlobungsfeier vorzubereiten. Dabei habe ich gehört, dass er solche Angst vor der Schiffsreise von Lissabon nach Madeira hatte, dass der alte Wilfing ihn nach Hause schickte.«
    Sebastian Wilfing und Cyprian waren gleichen Alters. Als Kinder hatten sie in der Gasse gespielt – der kompakte, bullige Cyprian, dem man schon als Kind ansah, dass er nie flink, sehnig oder drahtig aussehen würde, genauso, wie ein guter Beobachter ihm auch ansah, dass er dennoch alles dies unter einer dünnen täuschenden Schicht vermeintlicher Trägheit sein würde; und Sebastian Wilfing, von ähnlicher Gestalt – bloß dass selbst der schlechteste aller Beobachter sofort gewusst hätte, dass Sebastian junior alles das war, wonach er aussah. Als Heranwachsende hatten beide ihren Kinderspeck verloren; Cyprian hatte ihn durch Muskeln ersetzt, Sebastian durch den Speck eines Erwachsenen. Cyprian hatte sich bislang nicht um die Defizite des ehemaligen Spielkameraden gekümmert.
    »Was hat er bei dir gewollt?«, fragte Agnes.
    Cyprian sah auf. »Woher weißt du, dass er mich besucht hat?«
    »Gelegentlich riskiere ich einen Blick zum Fenster hinaus.«
    Schritte näherten sich. Einer der Stadtknechte kam auf seiner Runde an ihnen vorbei. Bei Tag und in Friedenszeiten hatte niemand etwas dagegen, wenn die Wiener Bürger den Wehrgang der Stadtbefestigung hinaufstiegen; es konnte nicht schaden, wenn sich so viele wie möglich dort oben zurechtfanden, für den Fall, dass die ständig drohende Türkengefahr in einem neuerlichen Angriff auf Wien kulminierte. Das Kärntnertor war den Angriffen am stärksten ausgesetzt gewesen und beinahe unterminiert worden; seitdem gab es ein halbes Dutzend bewachter und gesicherter Anfänge von Stollen, die von der Torinnenseite aus in den Boden führten, um im Fall eines Falles schneller mit Gegenminen zur Stelle zu sein; und kaum ein Bewohner der Kärntner Straße und der umliegenden Gassen wusste nicht, wo die Schaufeln lagen oder bei welcher Gruppe er sich melden musste, wenn

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