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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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dachte er, selbst mit dem Kopf unter dem Arm hätte ich die Strecke bis nach Prag spätestens gestern Abend hinter mich gebracht. Aber der verlorene Tag war gut investiert. Er betrachtete Pater Stefano von der Seite. Iesum Habemus Socium  – wir haben Jesus als Gefährten. Heute nicht, dachte Pater Xavier, heute hat Jesus dich verlassen.
    »Es kommt jemand«, sagte Pater Stefano überrascht.
    »Ach ja?«, sagte Pater Xavier. Er drehte sich nicht um. Pater Stefano versuchte, in die Dunkelheit zu spähen. »Ein halbes Dutzend Leute«, sagte er. »Mindestens.« Plötzlich hellte sich seine angespannte Miene auf. »Das sind die, die wir vorhin passiert haben!«
    Pater Xavier hatte die Schritte der Männer schon gehört,während Pater Stefano noch vor sich hingeplappert hatte. Seine Augen mochten trüber geworden sein, aber sein Gehör funktionierte prächtig. Wenn Pater Stefano ein wenig mehr von der Schlauheit gehabt hätte, die man seinen Ordensbrüdern nachsagte, hätte er sich gefragt, warum die Reisenden vollkommen schweigend marschierten und warum sie sich über die ganze Straße verteilt hatten.
    »Habt ihr euch doch noch entschlossen, euer Glück zu versuchen?«, fragte Pater Stefano. »Vielleicht lassen sie euch in die Stadt, wenn ihr in unserer Gesellschaft seid. Ich werde ein gutes Wort für euch einlegen.« Er drehte sich einmal um sich selbst, nickte und lächelte den Männern zu, die einen lockeren Kreis um sie geschlossen hatten. Pater Xavier schwieg und beobachtete die Neuankömmlinge unter gesenkten Lidern.
    »Das is’ sehr freundlich«, sagte einer der Männer. Er trug eine schwarze Filzkappe mit einer Schmuckkette aus weißen Steinen. Bei näherem Hinsehen wurde deutlich, dass die Steine menschliche Zähne waren. Pater Stefano lächelte nervös.
    »Hier is’ der Fluss am nächsten zur Straße«, sagte der Mann mit dem eigenwilligen Geschmack für Schmuckketten. Er wandte sich an Pater Xavier. »Hätt’ nich gedacht, dass Sie es schaffen und genau hier anhalten. Respekt, Hochwürden.«
    Pater Xavier zuckte mit den Schultern. Der Mann sprach schnell und aufgeregt, doch er war leidlich zu verstehen. Pater Xaviers Plan hatte sich ausgezahlt, auf der ganzen Strecke zwischen Wien und hier immer wieder Helfer anzuheuern, die ihm die Sprache beibrachten – und zwar die Sprache, die gesprochen wurde, und nicht das tote Flüstern der Buchseiten.
    »Was wir ausgemacht ham, gilt noch, oder?«
    »Ich stehe zu meinem Wort«, sagte Pater Xavier. »Die Hälfte zuvor, die Hälfte danach.«
    »Ich würd’ gern vorher sehen, ob Sie noch so viel dabeiham.«
    »Du wirst dich auf mein Wort verlassen müssen, mein Freund.«
    Pater Stefanos Kopf flog hin und her. Auf seiner Stirn stand eine steile Falte. »Kennst du die Männer doch, Bruder?«, fragte er. »Ich dachte, du hast gesagt, du kennst sie nicht?«
    »Na gut, von mir aus«, sagte der Mann mit der Zahnkette.
    »Fasst ihn mit Samthandschuhen an«, sagte Pater Xavier. »Ich möchte keine gebrochenen Knochen, eingeschlagenen Zähne oder ausgerenkten Gliedmaßen, keine Messerstiche, keine eingedrückten Augen, keine abgerissenen Ohren, keine Bisse, keine zermalmten Rippen und keine zerquetschten Finger. Es muss aussehen, als sei er einfach in den Fluss gefallen und ertrunken.«
    »Das ham wir schon mitgekriegt«, sagte der Mann mit der Zahnkette und rollte gelangweilt mit den Augen.
    »Äh?«, machte Pater Stefano. »Was geht hier eigentlich vor, Bruder? Was soll das Gerede?«
    »Wie wollt ihr ihn zum Ufer bringen, ohne dass er bis nach Prag hinein um Hilfe schreit?«
    Der Mann mit der Zahnkette schnippte mit den Fingern. Ein anderer Mann hielt etwas hoch. Es sah wie ein Sack aus.
    »Das dämpft das Geschrei nicht«, sagte Pater Xavier. »Schlechte Idee, mein Freund.«
    Pater Stefano keuchte plötzlich auf. Er warf sich herum und versuchte davonzurennen. Die Männer fingen ihn mühelos ab. Pater Stefano schlug um sich und wollte sich den Fluchtweg freikrallen, doch die Männer hielten ihn zu fest. Der Sack näherte sich von hinten und wurde über seinen Kopf gezogen. Sie rissen ihn zu Boden. Pater Stefano fand endlich den nötigen Atem und setzte zu einem lauten Schrei an. Der Mann mit der Zahnkette holte aus und schmetterte einen Stein gegen das Ende des Sackes, unter dem Pater StefanosKopf steckte. Die verhüllte Gestalt des Jesuiten erschauerte und wurde dann schlaff. Der Mann mit der Zahnkette wog den Stein in der Hand.
    »Wenn einer ins Wasser fällt, schafft

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