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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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wollte ihn nochmals sehen«, schluchzte sie. »Ich habe den Pfarrer gebeten, mir die Tür zuöffnen. Ich wollte sichergehen, dass es ihn wirklich gegeben hat – diesen Weg zurück ans Licht.«
    Cyprian hielt den Atem an.
    »Er ist weg!«, schrie sie. »Die letzte Überschwemmung hat alles mit Schlamm gefüllt, und der ist hart gebacken wie Stein!«
    Cyprian fühlte ihre Not und hasste sich für die Erleichterung, die er empfand. »Er war nur ein Symbol«, hörte er sich sagen. »Es bedeutet nichts, dass es ihn nicht mehr gibt.«
    Ihr Weinen sagte ihm, dass sie ihm nicht glaubte. Sie schmiegte sich in seine Arme, und er hielt sie fest. Der Wind zerrte an ihnen, und der Sonnenuntergang übergoss sie mit warmem Licht, das weder seine noch ihre Seele erreichte. Der Stadtknecht wanderte erneut vorüber, betrachtete sie, grinste Cyprian an und zwinkerte ihm ein zweites Mal zu.
    »Halt’s Mädel nur gut fest, Bub«, murmelte der Stadtknecht. Er war ein alter Mann mit grauem Bart. »Es gibt nix Flüchtigeres als wie die Liebe.«
    Cyprian lächelte zurück mit einem Gesicht, das aus Gips zu sein schien. In seinem Körper hallten die Herzschläge wie in einer tönernen Schale mit vielen Rissen.

11
    Der Hofkaplan und ehrwürdige Bischof von Wiener Neustadt, Doktor Melchior Khlesl, hatte sich verändert, und nicht alle Veränderungen waren zu seinem Vorteil: Sein Gesicht war so hager geworden, dass seine Nase wie ein Fremdkörper daraus hervorragte, sein Kinn so spitz, dass der Bart, den er trug, davon abstand wie der eines Ziegenbocks. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, dunkle Murmeln, die die Schatten darunter spiegelten und in denen sich kein Lichtpunkt zeigte, so tief waren sie beschattet. Sein schwarzer spanischer Samtrock,auf dem alle Verzierungen, Troddeln, Litzen und Stickereien ebenfalls in Schwarz gehalten waren, hing an ihm wie an einem Kleiderständer. Eine fiebrige Erkältung hatte ihn noch dünner werden lassen; der Pelz um seine Schultern war so fahl wie seine Gesichtsfarbe. Er hatte keinerlei Ähnlichkeit mit seinem Neffen Cyprian – abgesehen von diesem langen, ruhigen und intensiven Blick. Cyprians Augen waren blau, die seines Onkels schwarz – dennoch hätte jeder flüchtige Beobachter zu wetten gewagt, dass beide dieselbe Augenfarbe hatten. Agnes Wiegant hätte in dem Mann hinter dem wuchtigen Arbeitstisch den Priester nicht wiedererkannt, der sich damals so eilig aus der Heiligenstädter Kirche verabschiedet hatte und der nicht in jenes heilige Haus zu gehören schien.
    »Du hast die Höhle unter der Heiligenstädter Kirche zuschütten lassen«, sagte Cyprian statt einer Begrüßung. Für ihn war es leicht, zum Bischof von Wiener Neustadt vorzudringen – der Bischof hatte ein vierundzwanzigstündiges Besuchsrecht für seinen Neffen erteilt, und die einzigen Hindernisse, die sich in Cyprians Weg zu Melchior Khlesl zu stellen pflegten, waren Dienstboten, die die Türen nicht schnell genug aufreißen konnten, um den jungen Mann durchzulassen.
    Melchior Khlesl blickte auf. »Eines Tages wirst du wieder so hereinstürmen, ich werde arglos aufblicken, du wirst mir einen Dolch ins Herz stoßen, und alles, was ich noch sagen kann, wird sein: Tu quoque, fili? «
    »Wenn Cäsar überhaupt etwas zu Brutus gesagt hat, dann: Kai su, teknon? «, erwiderte Cyprian. »Die römischen Herrschaften sprachen Griechisch miteinander. Hast du mir selbst beigebracht, Onkel.«
    »Der Schüler macht dem Lehrer Ehre.«
    »Ich dachte, du sagtest, das Buch müsse irgendwo da unten sein?«
    »Ich sagte, ich weiß nicht, ob es sich um ein Buch handelt. Wir hätten ein Buch daraus gemacht – die Heiden können allesMögliche verwendet haben, um das Wissen festzuhalten, einschließlich Zeichnungen an Höhlenwänden.« Melchior Khlesl zögerte einen Moment. »Ursprünglich waren es mal Zeichnungen an Höhlenwänden, da bin ich mir sicher«, sagte er dann. »Das Böse ist unter uns, seit Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben wurden und die Menschen wie die Tiere lebten.«  
    »Und jetzt hast du deine Suche aufgegeben?«
    »Wenn irgendetwas dort unten ist, dann ist es so gut getarnt, dass nicht einmal ich es gefunden habe. Nachdem ich es nicht an mich nehmen und vernichten konnte, habe ich es lieber dort unten versiegelt. Die Vakanz der Kirche nach dem Tod des alten Pfarrers hat mir gerade die nötige Zeit dazu gelassen, und die Verwüstungen der letzten Flut haben mir geholfen.«
    »Gut«, sagte Cyprian. »Gut, dass das

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