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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Haars und fühlte die Schwere ihres Körpers, als sie sich an ihn lehnte. Sie war fast ebenso groß wie er; kein zartes Hühnchen – das war sie nie gewesen –, sondern eine junge Frau, die den Stürmen trotzen konnte, auch wenn sie ihr die Tränen in die Augen trieben. Überrascht erkannte er, dass es das erste Mal war, dass diese Nähe, dass ihre Umarmung nicht im Spaß geschah, und dass der letzte Ringkampf, den sie miteinander ausgefochten hatten, Jahre zurücklag. Irgendwo in diesen Jahren war die Unschuld auf der Strecke geblieben, die den Berührungen innegewohnt hatte; etwas anderes hatte sie ersetzt, das beinahe drohend war, weil es von Gefühlen sprach, die um so vieles größer waren als der Spaß und die Kameradschaft der früheren Jahre. Seine Überraschung war umso größer, als ihm klar wurde, dass diese Gefühle trotz derausweglosen Situation in ihm erwachten. Er wollte sie noch stärker an sich drücken; er wollte, dass sie sich umdrehte und die Umarmung erwiderte; verwirrt stellte er sich vor, dass ihre Hand seine Wange streichelte und dass ihre Lippen die seinen suchten und sie einen Kuss miteinander teilten. Er spürte das Gefühl in seine Lenden sinken und ließ sie los. Sie regte sich nicht, als er einen Schritt zurücktrat, und er war froh darüber, dass sie sich nicht umdrehte. Er wusste nicht, was sie in seinem Gesicht hätte lesen können.
    »Alles wird gut«, sagte er und hatte die dumpfe Ahnung, dass er selten etwas Sinnloseres gesagt hatte.
    »Bevor ich das letzte Mal versuchte, meinen Vater umzustimmen, war ich in der Heiligenstädter Kirche«, sagte Agnes.
    Cyprian fühlte die Erregung in sich zu Asche werden. Er betrachtete ihren Rücken, ihre hochgezogenen Schultern. Das Sonnenlicht webte nun einen goldenen Saum um ihr schwarzes Haar, der Wind, der wie stets von Osten her kam, an den Mauern des Kärntnertors in die Höhe stieg und darüber hinwegfuhr, zauste es und ließ es wie einen Schleier um ihren Kopf wehen. Er konnte nicht einmal ihre Wangenlinie ausmachen.
    »Ich war schon einige Male dort, seit du mich damals in den Katakomben gefunden hast«, sagte Agnes. »Das hast du nicht gewusst, stimmt’s? Ich habe es dir nie gesagt.«
    »Du kannst natürlich gehen, wohin du willst«, sagte er mit einer Leichtigkeit, die er nicht empfand.
    »Willst du nicht wissen, warum ich es getan habe?«
    »Warum hast du es getan?«
    Sie blickte über die Schulter. Der Wind wehte ihr eine Strähne über die Augen. Als sie sie weggewischt hatte, hatte Cyprian seine Gesichtszüge in der Gewalt. »Ich bin immer dorthin gegangen, wenn ich über etwas nachdenken musste, aus dem es keinen Ausweg zu geben schien. Es schien mir stets, als gäbe es eine Verbindung zwischen dieser Kirche undmir seit damals; manchmal dachte ich sogar, es hätte sie immer gegeben.« Sie lachte nervös. »Wenn ich dort war und über meine Sorgen nachdachte, musste ich mich nur daran erinnern, dass es auch damals keinen Ausweg zu geben schien, doch dann kamst du und brachtest mich zurück ins Licht.« Sie musterte ihn. Ein Lächeln huschte über ihre Züge. »Du siehst aus, als wäre dir die Erinnerung daran unangenehm.«
    »Nein«, sagte er. »Nein, ist sie nicht.« Er war erleichtert, dass sie sich wieder abwandte.
    »Manchmal frage ich mich, was passiert wäre, wenn die Tür zu den Gewölben ebenso offen gestanden hätte wie die oben hinter dem Altar. In welche Dunkelheit wäre ich geraten? Hätte es auch von dort noch einen Ausweg gegeben? Wäre ich in den See gefallen und ertrunken? In dem Labyrinth verhungert, von dem der alte Pfarrer sprach?«
    »Es gibt den See doch gar nicht«, sagte Cyprian heiser. »Und wer weiß, was für ein Märchen das mit dem Labyrinth war!«
    »Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich hinter die Tür hätte vordringen können. Vielleicht wäre ich dann darauf vorbereitet gewesen, dass es eine Dunkelheit gibt, die noch schlimmer ist als die, in der ich mich damals befand.« Sie begann zu weinen. Cyprian fühlte sich so schlecht, dass sein Magen einen sauren Klumpen bildete. »Die Dunkelheit einer Liebe, die sich nicht erfüllen kann!«
    Er legte ihr die Hände auf die Schultern. Er fühlte den Schweiß, der ihm am ganzen Körper ausgebrochen war, und dachte, auch sie müsse ihn wahrnehmen. Stattdessen lehnte sie sich erneut an ihn. Ihr Körper wurde von ihrem Schluchzen erschüttert.
    »Wir finden auch von hier heraus wieder ans Licht«, flüsterte er.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich

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