Die Teufelsbibel
er’s meistens, wieder rauszukrabbeln. Es is’ nich’ so, dass die Moldau besonders tief wär, und kalt is’ das Wasser zur Zeit auch nich’. Wenn aber einer beim Reinfallen mit ’m Schädel an ’nen Stein stößt, krabbelt er nich’ mehr raus.«
»Na schön«, sagte Pater Xavier. »Zieht den Sack noch mal hoch.«
Er beugte sich zu Pater Stefano hinab und tätschelte seine Wange. Der Jesuit kam halb zu sich. Er stöhnte und versuchte, den Blick auf Pater Xavier zu fokussieren. Seine Hände und Beine zuckten kraftlos.
»Warum?«, lallte er. Er war kaum zu verstehen. »Ich habe dir doch geholfen. Bruder Xavier? Bruder Xavier?«
Pater Xavier zeichnete ihm ein Kreuz auf die Stirn. »Ego te absolvo«, murmelte er. » Omnia ad maiorem Dei gloriam . Tröste dich damit, dass es zur höheren Ehre Gottes geschieht.« Er fasste in die Kutte des Jesuiten und riss das kleine hölzerne Kreuz mitsamt der Lederschnur ab. Dann stand er auf. Pater Stefano ächzte und lallte immer noch mit schwerer Zunge. Sein Gesicht sah schon jetzt eingefallen und käsig und wie das eines Toten aus. »Weg damit«, sagte Pater Xavier.
Der Sack wurde wieder über den sich schwach wehrenden Pater Stefano gezogen. Pater Xavier hörte ein heiseres Stöhnen – zu einem lauteren Hilfeschrei war der halb Betäubte nicht in der Lage. »Bruder Xavier?«, hörte er dann. »Bruder Xavier, um Christi willen!« Drei Männer fassten den Stammelnden unter und schleppten ihn wie ein Bündel durch die abgeernteten Felder davon.
»Bruder Xavier?«
Pater Xavier holte seine Börse hervor und zählte fünf Münzen auf die Handfläche des Mannes mit der Zahnkette. Dieserhatte die Kappe mittlerweile abgenommen und drückte sie gegen die Brust.
»Ich hab das mit ’m Geld nur gesagt, dass die anderen das mit der Hälfte auch glauben«, murmelte er. »Nich’, dass Sie meinen, ich hab keinen Respekt nich’, Hochwürden.«
»Was mich betrifft, mein Freund, habe ich dir gestern Nacht drei Pfennige gegeben und jetzt auch drei. Mehr weiß ich nicht«, sagte Pater Xavier.
Der Mann mit der Zahnkette grinste. Er ließ die Münzen in verschiedenen Taschen verschwinden. »Küss die Hand, Hochwürden«, sagte er und kniete nieder.
Pater Xavier winkte ihn fort. Im Davonhasten setzte der Mann sich die Kappe auf und versuchte, seine Kumpane einzuholen. Pater Stefano war offensichtlich noch immer so wenig bei Bewusstsein, dass er kaum zappelte. Die Männer kamen schnell mit ihm voran. Pater Xavier glaubte, ein letztes »Bruder Xavier?« zu hören, aber wahrscheinlich war es nur ein Nachtvogel gewesen.
Wenn er die Topografie Prags richtig verstanden hatte, würde der Leichnam Pater Stefanos wahrscheinlich bei der großen Flussschleife nach dem Hradschin wieder an Land gespült werden. Falls nicht, und die Moldau nahm ihn mit über Prag hinaus oder spülte ihn gar in die Elbe, hatte Pater Xavier nichts dagegen. Falls doch, und Pater Stefano sah tatsächlich aus, als wäre er bei einem Unfall umgekommen, war es ebenfalls gut. Und falls der Mann mit der Zahnkette und seine Kumpane doch schwach wurden und dem Jesuiten ein paar Abschiedsgrüße mit auf den Weg gaben, würde der Hinweis, den er nachher beim Augustertor den Stadtwachen zu geben vorhatte, nämlich dass bei seiner letzten Etappenrast ein Jesuit eine Weile vor ihm aufgebrochen, jetzt aber spurlos verschwunden sei, hilfreich sein.
Ich habe noch mit ihm gesprochen , würde er erklären . Er sagte, er sei lange Zeit in Spanien gewesen, und ich stamme daher,also unterhielten wir uns. Er hatte sogar spanische Dublonen in seiner Börse. Und das hier – er würde das kleine Holzkreuz zeigen – habe ich zufällig neben dem Weg liegen sehen, dort hinten am Waldrand .
Es würde nicht lange dauern, bis sechs abgerissene Gestalten auffielen, die mit den spanischen Dublonen zu zahlen versuchten, die Pater Xavier ihrem Anführer gegeben hatte. Ihre Aussage, ein Dominikanerpater habe sie zu dem Mord gedungen, würde als lächerlich bewertet werden und das Strafmaß bestenfalls erhöhen – Erhängen mit der Kette zum Beispiel statt mit dem vergleichsweise gnädigen Strick.
Pater Xavier machte sich auf den Weg. Er hatte das beruhigende Gefühl, alles wasserdicht geregelt zu haben. Der richtige Mann am richtigen Platz. Perfekt.
10
»Du kannst ihn nicht umstimmen«, sagte Agnes.
»Ich will nicht mein Leben mit der Frage verbringen, ob ich’s nicht vielleicht doch gekonnt hätte«, erklärte Cyprian.
»Diesmal sind
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