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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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oder?«
    Agnes weinte so, dass ihr Körper vibrierte. »Jetzt gleich«, schluchzte sie, »lass uns jetzt gleich gehen.«
    »Nein«, sagte er, »lass es uns in Ruhe planen. Wenn wir es tun, wird es eine Flucht sein, das muss dir und mir klar sein. Eine Flucht plant man sorgfältig, sonst wird man erwischt.«
    »Dein Onkel – die Bäckerei – du musst alles hier zurücklassen.«
    »Nicht anders als du.«
    Agnes drückte sich an ihn. »Wie kann etwas, das so wehtut, gleichzeitig so ein Geschenk sein?«, wisperte sie. »Halt mich fest, Cyprian.«
    Sie schloss die Augen, und er beugte sich nach vorn, um sie zu küssen.
    Jemand räusperte sich in sein Ohr. »Fräulein Wiegant?«
    Cyprian hielt inne. Agnes’ Magd stand neben ihnen und bemühte sich nach Kräften, den Mann nicht zu sehen, in dessen Armen ihre Herrin fast verschwand. Agnes blinzelte. Cyprian hatte das Gefühl, jemand habe ihn mit einem Stein am Hinterkopf getroffen, genau in dem Augenblick, in dem er zu fliegen begonnen hatte.
    »Fräulein Wiegant – ähem –«
    »Was ist denn?«, fragte Agnes mit belegter Stimme.
    »Ich will Sie nicht stören, ganz allein hier oben und in Gedanken – ähem – aber ich dachte, Sie möchten wissen, dass Ihr Herr Vater und Ihr Herr Verlobter auf dem Weg hierher sind.«
    In Agnes’ Augen kehrte mit einem Schlag das Leben zurück. Sie sah Cyprian an.
    »Ausgerechnet«, sagte Cyprian.
    »Sebastian ist nicht mein Verlobter!«, sagte Agnes.
    Cyprian ließ Agnes los. Sie fing unwillkürlich an, ihr Kleid zu glätten. Die Magd schaute sich nervös um.
    »Wir müssen uns nicht verstecken oder weglaufen«, sagte Agnes. Sie sah Cyprian dabei fragend an.
    »Nein«, sagte Cyprian, »wir gehen ihnen entgegen.« Er grinste. Er war noch immer halb von der Wirklichkeit getrennt, doch sein Hirn funktionierte wieder. »Aber getrennt.«
    Agnes verstand. Sie nahm ihre Magd am Arm und schob sie zum Aufgang. Dann drehte sie sich nochmals um. Ihr Blick war voller Angst.
    »Morgen«, formte Cyprian mit den Lippen.
    Er huschte zum Aufgang auf der anderen Seite des Tors. Aus der Deckung des hölzernen Treppengerüsts sah er Agnes unten ankommen und mit großer Gelassenheit auf vier Männer zuschreiten: Niklas Wiegant, Sebastian Wilfing junior und zwei andere Kerle im Alter von Sebastian, die dieser vermutlich mitgebracht hatte, damit er nach Herr mit Begleitung aussah. Cyprian konnte nicht hören, was gesprochen wurde, aber er sah Agnes mit den Schultern zucken und Niklas Wiegant misstrauisch die Umgebung des Tors mustern. Cyprian zog sich in den Schatten des Gerüsts zurück. Er fürchtete sich weder vor einer Begegnung mit Niklas noch mit den anderen Männern, aber Schwierigkeiten gab es im Moment genug – es musste nicht noch der peinliche Auftritt Verlobter versus Nebenbuhler hinzukommen. Allerdings – so viel war klar – würde Niklas zumindest heute und die nächsten Tage seine Tochter nicht mehr aus den Augen lassen. Cyprians Auftritt im Hause Wiegant vor einer halben Stunde hatte die Situation ebenfalls nicht entspannt.
    Dennoch fühlte Cyprian sich fast euphorisch. Er hatte so gut wie alle Brücken hinter sich abgebrochen. Onkel Melchior und Kardinal Facchinetti waren sprachlos gewesen, als er mit einer letzten höflichen Entschuldigung aufgestanden war und die bischöfliche Arbeitsstube verlassen hatte – mitten in einer wohldurchdachten Argumentation des alten Kardinals.
    Vor ihm lag nur noch der Weg, den er Agnes soeben geschildert hatte. Natürlich waren seine Worte vom letzten Mal richtig gewesen: dass sie ihre Zukunft nicht auf einer Lüge aufbauen konnten. Natürlich waren seine Worte von heute ebenso richtig: dass er sich kein Leben ohne Agnes vorstellen konnte. Und er war zumindest ehrlich genug gewesen, seinen Onkel nicht zu belügen. Er hätte auch das wahrscheinlich beträchtliche Reisegeld nach Prag annehmen und dann mit Agnes verschwinden können. Nicht, dass er jemals ernsthaft mit dem Gedanken an diese Möglichkeit gespielt hatte, aber dennoch –. Eventuell war es keine Lüge, wenn sie zusammen nach Virginia flohen, sondern nur das Begehen des Weges, der ihnen vorgezeichnet schien, bis zur letzten Konsequenz.
    Er erinnerte sich, wann er diese Euphorie und gleichzeitig solche Angst vor der Zukunft zum letzten Mal verspürt hatte. Es war gewesen, als er seinen Vater am Kragen gepackt und so in die Mehlsäcke geworfen hatte, dass der Mehlstaub aufwirbelte und durch die Kellerfenster in die Kärntner Straße

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