Die Teufelshaube
Ohren angewiesen.
Sie hatte den Priester heftig drängen müssen, mit ihr unters Dach zu klettern. Er hatte sich gegen die Heimlichkeiten, das Risiko, die Würdelosigkeit gewehrt.
Auch Adelia war nicht wohl dabei. Das war nicht ihr Stil, es war hinterlistig, unwissenschaftlich. Noch schlimmer war, dass die Angst, die sie befallen hatte, sobald sie wieder in der Abtei war, ihr die Energie raubte und ein lähmendes Gefühl der Sinnlosigkeit zurückließ.
Aber als sie durch die Tür in die Seitenkapelle getreten war, hatte ein Luftzug die Kerzen vor dem Altar der Jungfrau aufflackern lassen, darunter eine, die Emma für Talbot aus Kidlington entzündet hatte, und daher hatte sie den Priester unter Druck gesetzt, ihn angefleht und gelockt. »Wir haben eine Pflicht den Toten gegenüber, Pater.« Das war der Fels, auf dem ihr Glaube ruhte, eine Überzeugung, die für sie so fundamental war wie das Athanasianische Glaubensbekenntnis für die westliche Liturgie, und vielleicht hatte der Priester dessen Bedeutung erkannt, denn er hatte aufgehört zu widersprechen und war die Leiter hinaufgestiegen, die Jacques für sie bereitgestellt hatte.
Jetzt war die Vesper vorbei, der schwache Gesang vom Kloster her verstummt. Die Kirche war leer. Seitdem die Söldner immer wieder Radau gemacht hatten, hielten die Nonnen die Totenwache für ihre Toten in ihrer eigenen Kapelle.
Irgendwo bellte ein Hund. Wahrscheinlich Fitchets Köter – ein stichelhaariges Ungetüm, bei dessen Nahen sich Wächter, der nicht gerade für seinen Mut berühmt war, immer gleich hinlegte und auf den Rücken rollte.
Sie waren zu weit hinten im Dachboden, um unten irgendwas sehen zu können, nur der Lichtschein von den Altarkerzen im Hauptschiff reichte schwach bis zu ihnen herauf, so dass sie zumindest das halbrunde Dach über sich erahnen konnten. Adelia kam es so vor, als lägen sie und der Priester auf den Ruderbänken eines umgedrehten Bootes. Und zwar ziemlich unbequem.
Die Augen der Fledermäuse, die an den Latten über ihnen hingen, funkelten zu ihnen herunter wie wütende kleine Perlen.
Als es in der Nähe raschelte, piepste Pater Paton: »Ich hasse Ratten.«
»Seid still«, befahl sie.
»Das ist Tollheit.«
Vielleicht war es das, aber jetzt konnten sie nicht mehr zurück – Jacques hatte die Leiter weggenommen und zurück in den Glockenturm nebenan getragen, wo sie hingehörte. Er selbst hatte sich in der Dunkelheit oben im Turm versteckt.
Ein Schloss klickte. Die ungeölten Angeln der Seitentür in die Kapelle protestierten quietschend. Irgendwer zischte ungehalten ob des Geräusches. Die Tür schloss sich. Stille.
Warin. Das musste der Advokat sein. Wolvercote würde nicht so schleichen wie die Person da unten.
Adelia empfand eine eigenartige Niedergeschlagenheit. Es war eine Sache, über die Schuld eines Menschen zu theoretisieren, aber etwas gänzlich anderes, sie bestätigt zu sehen. Irgendwo unter ihr stand ein Mann, der seinen einzigen Verwandten verraten hatte, einen Jungen, der in seine Obhut gegeben worden war, einen Jungen, der ihm vertraut hatte und dafür mit dem Leben bezahlen musste.
Wieder das Kreischen der Türangeln, doch diesmal wurde es von stampfenden Stiefelschritten begleitet. Man spürte förmlich die vibrierende Energie.
»Hast du mir das geschickt?« Wolvercotes Stimme. Wütend. Falls Master Warin verneinte, so konnten es die Lauscher nicht hören, weil Wolvercote gleich weiterredete. »Jawohl, das hast du, du Hurensohn, du eklige Eiterbeule, du stinkender Scheißkerl, du kriegst nicht noch mehr Geld von mir, du dämlicher Drecksack …«
Die Tirade, deren gelungene Alliterationen aus diesem Munde recht verblüffend waren, wurde von klatschenden Schlägen vermutlich in Master Warins Gesicht begleitet, die wie das Knallen von Peitschenhieben an den Wänden widerhallten. Pater Paton fuhr jedes Mal zusammen, so dass Adelia, die direkt neben ihm lag, gleichzeitig mitzuckte. Der Advokat verlor nicht den Kopf, obwohl der ihm sicherlich dröhnte. Dann seine Stimme: »Seht, seht, Mylord. Im Namen Christi,
seht doch.
« Die Schläge hörten auf.
Jetzt zeigt er ihm
seinen
Brief.
Abgesehen von Ort und Zeitpunkt des vorgeschlagenen Treffens, war die Botschaft, die sie jedem der beiden geschrieben hatte, knapp gehalten:
Wir sind entdeckt.
Langes Schweigen trat ein, während Wolvercote – kein geübter Leser – die Nachricht entzifferte, die Warin erhalten hatte. Der Advokat sagte leise: »Das ist eine Falle.
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