Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Teufelshaube

Die Teufelshaube

Titel: Die Teufelshaube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
Vom Netzwerk:
angerissen. Kein Mensch geht so mit Velin um, das kann man immer wieder abschaben und neu benutzen.«
    »Vielleicht war der Junge in Eile, als der Brief eintraf, und er hat ihn nur rasch weggesteckt. Oder er war wütend, weil er mit mehr als nur zwei Mark gerechnet hat? Oder Velin war ihm völlig schnuppe. Was es mir …«, der Bischof verlor allmählich die Geduld, »… in diesem Moment auch ist. Worauf wollt Ihr hinaus, Mistress?«
    Adelia überlegte einen Moment.
    Ob der Körper im Eishaus der des Talbot aus Kidlington war oder nicht, im Leben hatte er einem ordentlichen jungen Mann gehört; das hatte ihr sowohl seine Kleidung verraten als auch die Sorgfalt, mit der der Inhalt der Sattelrolle eingepackt worden war. Menschen mit einem solchen Ordnungssinn – und zu ihnen zählte Adelia – stopften nicht einfach mit der flachen Hand ein Dokument auf Velin in eine Öffnung, wie hier geschehen.
    »Ich glaube, er hat den Brief nicht einmal gesehen«, sagte sie, »ich glaube, seine Mörder haben den Brief dort hineingesteckt.«
    »Um Himmels willen«, fauchte Rowley sie an, »Ihr dichtet da viel zu viel hinein. Adelia, Wegelagerer hinterlegen bei ihren Opfern keine Briefe. Worauf wollt Ihr hinaus? Dass der Brief eine Fälschung ist, um uns in die Irre zu führen? Talbot aus Kidlington ist gar nicht Talbot aus Kidlington? Der Gürtel und die Börse gehören jemand ganz anderem?«
    »Ich weiß es nicht.« Aber irgendwas stimmte nicht mit diesem Brief.
    Sie besprachen, wie sie am folgenden Tag zu Rosamunds Turm kommen würden. Adelia sollte mit Rowley, Jacques und Walt über den Treidelpfad flussaufwärts reiten, während Mansur und ein Waffenknecht in einem Boot folgen würden, auf dem der Leichnam dann zurückgebracht werden sollte.
    Während sie noch Einzelheiten besprachen, nutzte Adelia die Gelegenheit, um sich die verschiedenen Wappen genauer anzusehen. Keines passte zu dem auf der Börse oder dem Gürtel des jungen Mannes.
    Rowley sagte zu Gyltha: »Du musst hierbleiben, Mistress. Die Kleine können wir unmöglich mitnehmen.«
    Adelia blickte auf. »Ich lasse sie nicht hier zurück.«
    Er sagte: »Es geht nicht anders, das wird kein Familienausflug.« Er ergriff Mansurs Arm. »Komm mit, mein Freund, mal sehen, was das Kloster so an Booten zu bieten hat.« Sie gingen nach draußen, gefolgt von Jacques.
    »Ich lasse sie nicht hier zurück«,
rief Adelia ihm nach, was die Fürbitte für die Toten hinter dem Lettner kurz ins Stocken brachte. Sie wandte sich an Gyltha. »Was fällt ihm ein. Das kommt nicht in Frage.«
    Gyltha fasste Adelia bei den Schultern und drückte sie hinunter auf ein Betkissen, dann setzte sie sich neben sie. »Er hat recht.«
    »Hat er nicht. Stell dir vor, wir werden durch den Schnee abgeschnitten oder durch irgendwas anderes. Sie muss gefüttert werden.«
    »Dann sorge ich dafür.« Gyltha nahm Adelias Hand und schaukelte sie sacht. »Es wird Zeit, Mädchen«, sagte sie. »Höchste Zeit, dass sie abgestillt wird. Deine Milch wird knapp. Du weißt es, und die Kleine weiß es.«
    Adelia bekam die Wahrheit zu hören, wie stets von Gyltha. Es stimmte, die Milch in ihren Brüsten wurde schon seit einigen Wochen spürbar weniger, und beide Frauen hatten Nahrung zu Brei zermanscht und mit Kuhmilch verrührt, um ihn in Allies gierigen Mund zu löffeln.
    Als Adelia noch kinderlos war, hatte sie geglaubt, das Stillen wäre eine feuchte Peinlichkeit; stattdessen hatte es sich als eine der natürlichen Freuden des Lebens entpuppt und ihr darüber hinaus einen Vorwand geliefert, ihr Kind stets überallhin mitzunehmen. Denn die Mutterschaft war zwar eine weitere Wonne, hatte sie aber auch mit einer quälenden und unerwarteten Angst erfüllt, als wären ihre Sinne in den Körper ihrer Tochter und, wenn auch weniger intensiv, in den aller Kinder übertragen worden. Adelia, die einst jeden minderjährigen Menschen befremdlich gefunden hatte und ihn auch so behandelte, war jetzt offen für deren Kummer, ihre geringsten Schmerzen und jedes Unglück.
    Allie hatte nur selten unter derlei Ungemach zu leiden. Sie war ein robustes Kind, und allmählich hatte Adelia erkannt, dass ihr Mitgefühl eigentlich ihr selbst galt, dem zwei Tage alten Winzling, der vor fast dreißig Jahren von unbekannten Eltern auf einem steinigen Hang im italienischen Kampanien ausgesetzt worden war. Als sie heranwuchs, hatte sie kaum darüber nachgedacht. Es war etwas, das mit einem Augenzwinkern betrachtet wurde, was sich schon darin

Weitere Kostenlose Bücher