Die Teufelshaube
»Und?«
Adelia schob sich etwas höher, um über seine Schulter zu spähen. Obwohl der Wind sich etwas gelegt hatte, war die Strömung schneller denn je und drohte, das Ruderboot gegen die Barkasse zu schieben oder Richtung Ufer zu drehen.
Einer der Soldaten – sie glaubte, es war Cross, der Jüngere der beiden – war damit beschäftigt, den Zusammenstoß zu verhindern, und hatte den Schutz des Segels verlassen, das nun tief über seinem Gefährten hing, der schlaff auf der vorderen Ruderbank saß, entkräftet oder eingeschlafen oder beides.
Auch Walt oder Jacques bewegten sich nicht mehr. Dakers lehnte noch immer an Jacques’ Rücken.
Adelia schob Rowleys Kapuze mit der Nase von seinem Ohr weg und legte die Lippen daran: »Sie wollen Eleanors Banner in Oxford hissen. Sie glauben, die Midlands werden sich erheben und sich auf ihre Seite schlagen.«
»Wie viele Männer? In Oxford, wie viele Männer?«
»Eintausend, glaube ich.«
»Hab ich da vorhin am Turm Eynsham gesehen?«
»Ja. Wer ist das?«
»Hundsfott. Gerissen. Hat Einfluss beim Papst. Trau ihm nicht.«
»Schwyz?«, fragte sie.
»Hundsfott von Söldner. Erstklassiger Soldat.«
»Einer namens Wolvercote ist der Heerführer in Oxford.«
»Hundsfott.«
Damit waren also die Hauptakteure hinlänglich abgehandelt. In einer momentanen Aufwallung schmiegte sie ihr Gesicht an seine Wange.
»Hast du dein Messer dabei?«, fragte er.
»Ja.«
»Schneid diesen verdammten Strick durch.« Er schüttelte seine gefesselten Hände.
Sie schaute erneut zu dem Soldaten hinüber, der im Bug hockte. Er hatte die Augen geschlossen.
»Nun mach schon.« Rowleys Lippen bewegten sich kaum. »Ich steig nämlich gleich aus.« Als ob sie beide eine Vergnügungsfahrt machten und ihm gerade eingefallen wäre, dass die nächste Anlegestelle für ihn günstiger war.
»Nein.« Sie schlang die Arme um ihn.
»Lass mich«, sagte er, »ich
muss
Henry finden. Ihn warnen.«
»Nein.« In diesem Schneesturm würde keiner keinen finden. Er würde sterben. Im Sumpfland erzählte man sich Geschichten über diese Art von Sturm, von arglosen Kleinbauern, die sich hinausgewagt hatten, um ihre Hühner einzusperren oder eine Kuh hereinzuholen, und dann nicht mehr zurückfanden durch ein eisig wirbelndes Weiß, das ihnen die Sicht und den Orientierungssinn raubte, so dass sie nur wenige Schritte vor ihrer eigenen Haustür steif und tot endeten. »Nein«, wiederholte sie.
»Schneid den verdammten Strick durch.«
Der Soldat im Bug bewegte sich und murmelte: »Was macht ihr da?«
Sie warteten, bis er sich wieder beruhigt hatte.
»Willst du, dass ich mit gefesselten Händen verschwinde?«, hauchte Rowley.
Herrgott, wie sie ihn hasste. Und Henry Plantagenet hasste. Der König, immerzu der König, und wenn es mein Leben kostet, deines, das unseres Kindes, alles Glück.
Sie griff in ihre Tasche, umklammerte das Messer und erwog einen Moment lang ernsthaft, es ihm ins Bein zu stoßen. Dann könnte er nicht im Kreis herumirren und als Eishaufen auf irgendeinem Feld enden.
»Ich hasse dich«, sagte sie zu ihm. Tränen gefroren an ihren Wimpern.
»Ich weiß. Schneid den verdammten Strick durch.«
Sie schob die rechte Hand mit dem Messer weiter um ihn herum, beobachtete dabei den Mann im Bug, fragte sich, warum sie ihn nicht warnte, damit er Rowley festhielt …
Sie konnte nicht; sie wusste nicht, welches Schicksal Eleanor ihrem Gefangenen zugedacht hatte oder was, selbst wenn sie nichts Arges im Schilde führte, Eynsham oder Schwyz mit ihm machen würden.
Ihre Finger fanden seine Hände und tasteten sich zu dem Strick an den Handgelenken. Sie begann zu schneiden, vorsichtig – das Messer war so scharf, dass sie ihm mit einer falschen Bewegung die Schlagader öffnen könnte.
Ein Strang war durchtrennt, und wieder einer. Während sie arbeitete, zischte sie gehässig. »Deine Buhlin bin ich, ja? Für die du keine Verwendung hast, ja? Ich hoffe, du schmorst in der Hölle – und Henry gleich mit.«
Der letzte Strang fiel, und sie fühlte, wie er die Hände bewegte, um das Blut wieder in Gang zu bringen.
Er wandte den Kopf, damit er sie küssen konnte. Sein Kinn strich über ihre Wange.
»Überhaupt keine Verwendung«, sagte er. »Außer dass du die Sonne aufgehen lässt.«
Und dann war er fort.
Jacques übernahm die Führung. Adelia hörte, wie er ein Schluchzen in seine Stimme legte, als er dem wütenden Cross erklärte, der Bischof sei bei dem Zusammenstoß mit dem Ufer über
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