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Die Teufelshaube

Die Teufelshaube

Titel: Die Teufelshaube Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: franklin
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sie zu Cross, doch er schien sie gar nicht zu hören.
    Walt und Jacques zogen sie runter.
    Der Bote sagte: »Nicht gut, Mistress, selbst wenn …«
    »Seht Euch das Ufer an, Mistress«, forderte Walt sie auf.
    Sie schaute hinüber – eine kleine Klippe, wo flache Weiden sein sollten. Dahinter ragten Gebilde auf, die aussahen wie riesige gefrorene Büsche, doch in Wahrheit handelte es sich um das Geäst hoher Eichen, die verloren in – wie Adelia schätzte – mindestens fünfzehn Fuß hohen Schneewehen standen.
    »Da kämen wir niemals durch«, sagte Jacques jetzt.
    Sie flehte, bettelte und wusste doch, dass er recht hatte. Vielleicht würden die Dorfbewohner, wenn sie sich ausgegraben hatten, Tunnel durch den Schnee schaufeln, um den Fluss zu erreichen, doch bis dahin, oder bis Tauwetter einsetzte, war sie vom Kloster ebenso abgeschnitten, als läge ein ganzes Gebirge davor. Sie würde in diesem Boot sitzen bleiben müssen und an Allie vorbeifahren, und nur Gott allein wusste, wann oder
ob
sie je wieder zu ihr zurückkehren konnte.
    Inzwischen hatten sie das Dorf passiert und schon fast die Brücke über den Nebenfluss erreicht, der die Mühle antrieb. Die Themse verbreiterte sich hier und würde in einem langgestreckten Bogen um die Weiden der Abtei herumführen.
    Und plötzlich geschah irgendwas mit ihr …
    Die Barkasse war langsamer geworden. Wegen ihrer hohen Seitenwände war nicht zu sehen, was da an Bord geschah, doch es war spürbar Hektik ausgebrochen, und heftiges Fluchen war zu vernehmen.
    »Was ist denn los?«
    Walt nahm einen Schöpfeimer, tauchte ihn in den Fluss, hielt ihn hoch und rührte mit einem Finger darin. »Seht euch das an.«
    Sie sahen es sich an. Das Wasser in dem Eimer war grau und körnig, als hätte jemand Salz hineingeschüttet. »Was ist das?«
    »Eis«, sagte Walt leise. »Das is Eis.« Er schaute sich um. »Muss ziemlich flach hier sein. Das is Eis, jawohl. Der Fluss friert zu.«
    Adelia starrte darauf, dann auf Walt, dann auf den Fluss. Sie setzte sich unvermittelt auf und dankte für ein beinahe biblisches Wunder; Flüssiges wurde fest, ein Element verwandelte sich in ein anderes. Jetzt würden sie anhalten müssen. Sie könnten ans Ufer gehen, und da sie so viele waren, könnten sie sich ihren Weg bis zum Kloster freischaufeln.
    Sie blickte nach hinten zu den anderen Booten.
    Es waren keine zu sehen. Soweit das Auge reichte, war der Fluss leer, und seine graue Färbung wurde immer blauer, je weiter er sich in einer gleißenden, stillen Ferne verlor.
    Sie blinzelte und hielt nach dem Kontingent Ausschau, das sie über den Treidelpfad hätte begleiten sollen.
    Aber da war kein Treidelpfad, natürlich nicht. Dort, wo er mal gewesen war, erhob sich jetzt eine wellige ununterbrochene Schneewand, an manchen Stellen doppelt mannshoch, der Rand von Wind und Wasser glattgeschliffen, als hätte ein riesenhafter Konditor mit einem Messer alle vorstehenden Zuckergussränder von einer Torte abgeschnitten.
    Adelia wollte nur noch zu ihrer Tochter, und einen kurzen Moment lang dachte sie: Egal, wir sind immer noch genug, um einen Weg zu graben …
    Und dann: »Allmächtiger, wo sind sie?«, sagte sie. »Wo sind all die Menschen?«
    Die Sonne schien weiter herrlich, ungerecht, erbarmungslos auf einen leeren Fluss, auf dem vielleicht weiter oben Männer und Frauen so reglos in ihren Booten saßen wie Giorgio in diesem, wo vielleicht Leichen in glitzerndem Wasser trieben.
    Und was war mit den Reitern? Wo waren sie, Gott helfe ihnen? Wo war Rowley?
    Die Stille, die ihre Fragen beantwortete, war fürchterlich, weil sie die einzige Antwort war. Sie fing das Fluchen und angestrengte Ächzen, das von der Barkasse herüberdrang, wie unter einer Glasglocke ein und ließ es in einer lautlosen Luft widerhallen.
    Die Männer auf der Barkasse mühten sich ab, stießen Stakstangen in das flache, immer dicker werdende Wasser, bis sie auf dem Grund auf Widerstand trafen und das Boot ein Stück weiterschieben konnten, und noch ein Stück …
    Nach einer Weile füllte sich die Glasglocke mit Geräuschen wie von einer knallenden Peitsche – sie stießen gegen Eisplatten und mussten hindurchbrechen.
    Sie schoben sich unendlich langsam an der Stelle vorbei, wo der Fluss sich teilte und ein Arm Richtung Mühle und Brücke abzweigte. Vom Mühlgraben drang kein Laut herüber, und ein kleiner Wasserfall hing da in glänzender Reglosigkeit.
    Und, Allmächtiger, steh uns bei, in dieser verwandelten Welt hatte

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