Die Teufelshure
Stratton sie schwängern sollte, und schon gar nicht die Art und Weise, auf die dieser Plan missglückt war. Beharrlich schaute sie aus dem Kutschenfenster hinaus auf die Straße. Im Vorbeifahren konnte man die ehrfürchtigen, verunsicherten Mienen einzelner Passanten beobachten, die dem düsteren Gefährt ausweichen mussten.
»Du hattest nicht etwa Mitleid mit Stratton?« Es gelang Cuninghame nicht, ein satanisches Grinsen zu unterdrücken. »Jeder, der mich unbedacht herausfordert, hat den Tod redlich verdient.«
Madlen schwieg hartnäckig und wich im Halbdunkel der Kutsche seinem stechenden Blick aus. Cuninghame atmete genussvoll den Geruch ihrer Angst ein, die er mit seinen eigenen geschärften Sinnen mühelos wahrnehmen konnte, und legte seine Hand auf ihre. Madlen war von ihm abhängig, in beinahe jeder Beziehung, und das wurde ihr in Momenten wie diesem schmerzlich bewusst. Ihre Familie hatte sie verstoßen, und nun hatte sie niemanden mehr außer ihm, der sie beschützte. Ihr Vater, der alte Iain MacIain Donald of Dunyveg, hatte sie standesgemäß an den Sohn eines befreundeten Clanchiefs verheiraten wollen, um eine alte Familienfehde zu schlichten. Aber das dickköpfige Töchterchen hatte den als gewalttätig bekannten Bräutigam schlichtweg abgewiesen. Stattdessen hatte sie sich mit ein paar Habseligkeiten allein auf die Flucht nach Edinburgh gemacht, in der Hoffnung, eine Arbeit zu finden, die sie von den Traditionen der Highlands und der Willkür der dortigen Männer erlöste. Leider war genau das Gegenteil eingetreten. Anstatt auf anständige Weise Geld zu verdienen, war sie ausgerechnet in die Fänge eines Mädchenhändlers geraten. Sir Ebenezer Wentworth, Cuninghames geschätzter Freund und angesehenes Mitglied der Edinburgher Gesellschaft, hatte Madlen und ein paar andere junge Frauen in seinem feudalen Anwesen wie auf einem Sklavenmarkt kaufinteressierten Freiern dargeboten. Halbnackt, nur mit einem Hauch französischer Spitze bekleidet, hatte man sie schutzlos den grapschenden Fingern der durchweg noblen männlichen Kundschaft ausgesetzt. Cuninghame erinnerte sich noch gut, dass ihm Madlen sofort aufgefallen war. Sie war groß und schlank, mit ansehnlichen Brüsten, und verfügte zudem über ein ebenmäßiges Gesicht und glänzendes langes Haar. Neben diesen Vorzügen, die den Ansprüchen der Edinburgher Gesellschaft genügten, besaß sie das breite Becken einer Bäuerin, um problemlos ein Kind zur Welt zu bringen. Genau solch ein Mädchen benötigte er für seine Versuche. Wentworth, der eingeweihten Brüdern als skrupelloser Seelenfänger bekannt war, hatte ihm garantiert, dass Madlen noch Jungfrau sei. Er hatte die Mädchen zuvor von einem befreundeten Arzt untersuchen lassen, um ihre Unschuld meistbietend an zahlungskräftige Freier versteigern zu können, die großen Wert darauf legten, bei einem Mädchen der Erste zu sein.
Cuninghame hatte sie Wentworth zu einem horrenden Preis abgekauft und damit zunächst ihre Ehre gerettet. Dafür hatte sie ihm einen Schuldschein unterschreiben müssen, der sie bis an ihr Lebensende an ihn binden würde.
»Ganz gleich, was Stratton verbrochen hat«, erklärte Madlen plötzlich, als ob sie seine Gedanken erraten hätte, »einen solchen Tod hat niemand verdient. Ich hasse Hinrichtungen, wie Ihr genau wisst.« Sie sah Cuninghame immer noch nicht an, schaute stattdessen stur geradeaus, während sie sich ein spitzenbesetztes, parfümiertes Taschentuch an die Nase hielt. Gierig sog sie den Duft jenes teuren französischen Parfüms ein, das er ihr als kleine, wenn auch belanglose Wiedergutmachung geschenkt hatte. Gleichzeitig versuchte sie ihre Gefühle zu verbergen, indem sie ihre Aufmerksamkeit einer halbnackten Bettlerin schenkte, die der Kutsche im Laufschritt gefolgt war. Rasch warf sie der ärmlich gekleideten Frau ein paar Münzen zu, die sich daraufhin mit einem Segen bedankte, bevor sie von einem Soldaten der »Toun Rats« am Arm gepackt und lautstark zurechtgewiesen wurde.
»Du hast ein zu gutes Herz, meine Teuerste«, bemerkte Cuninghame kühl. »Der Einzige, dem du deine Gnade vorenthältst, bin wohl ich.« Er setzte ein ironisches Lächeln auf, das sie mit nichtssagender Miene erwiderte. Madlens Widerspenstigkeit, die sie vom Beginn ihrer ersten Begegnung an den Tag gelegt hatte, reizte ihn. Ein Grund, warum er es nicht darauf anlegte, ihren Willen zu brechen, obwohl es ein Leichtes für ihn gewesen wäre. Zumal sie ihm nicht nur ihre
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