Die Teufelsrose
offene Tür in das
schlammige, über schwemmte Reisfeld. Der Hubschrauber hüpfte
zehn oder zwölf Meter hoch, kippte scharf links ab und explodierte
in einem großen Feuerball. Ein paar Sekunden regnete es schrap
nellgleich brennenden Treibstoff und glühendheiße
Metallsplit ter.
Anne-Marie rappelte sich auf und
stand schmutzbedeckt auf dem schmalen Deich, vor dem Mann in
amerikanischer Uni form, der ein Vietnamese war. Das Gewehr, das er auf
sie gerichtet hielt, war ein sowjetisches AK 47. Sechs oder sieben
Vietnamesen mit Strohhüten und weiten schwarzen Hosen krochen
weiter hinten aus dem Graben und kamen den Damm entlang auf sie zu.
Der Huey Cobra näherte sich
endlich, und seine schweren MGs spritzten längs dem Damm Schlamm
auf und trieben die Vietkong zurück in den Graben. Als Anne-Marie
hochblickte, schwebte der schwere Helikopter genau über ihr; dann
kamen
40 oder 50 reguläre nordvietnamesische
Soldaten in Khakiuni form auf der anderen Seite des Reisfelds aus dem
Dschungel und beschossen den Huey mit allem, was sie hatten. Der
Kampfhubschrauber flog auf sie zu, feuerte seine Raketen ab, und die
Vietnamesen zogen sich hastig in den Dschungel zurück. Der
Hubschrauber wendete und flog einen knappen Kilometer weit fort, nach
Süden, um dann das gesamte Gebiet langsam zu umkreisen.
Anne-Marie kauerte am Damm und
versuchte, Atem zu schöpfen. Dann stand sie benommen auf. Es war
sehr still, und sie blickte sich um, betrachtete den Schauplatz des
Gemetzels, die teilweise von Schlamm und Wasser bedeckten Leichen, den
ausgebrannten Hubschrauber. Ein Bild der Verwüstung, und 30 oder
40 Meter weiter ein dichter Streifen Schilf. Sie war wohl noch nie so
sehr in Gefahr gewesen, und sie war völlig allein, angewiesen auf
die Verstärkung, die der Huey Cobra sicher schon per Funk
angefordert hatte. Bis dahin konnte sie wirklich nur eines tun.
Die Nikons an ihrem Hals waren
schlammbespritzt. Sie holte ein Objektiv aus einer Jackentasche und
legte einen neuen Film ein. Sie watete durch knietiefes Wasser und
fotografierte, stieß Körper fort, die sich kalt
anfühlten, wie Gegenstände. Und dann drehte sie sich um und
sah drei Vietkongs, die 15 oder 20 Meter vor ihr standen.
Stille. Die ernsten orientalischen
Gesichter zeigten keinerlei Ausdruck. Der Vietnamese in der Mitte, ein
Junge von 15 oder
16 Jahren, hob sein AK 47 und richtete es auf
Anne-Marie, und sie richtete ihre Nikon auf ihn. Tod, dachte sie. Das
letzte Bild von allen. Ein schöner Junge in Schwarz. Über
ihren Köpfen grollte Donner, die ersten schweren Tropfen fielen
vom Him mel, und dann ertönte durch den Regen ein hoher,
sonderbarer Schrei.
Der Vietkong drehte sich langsam um.
Hinter ihnen tauchte ein Mann aus dem hohen Schilf auf und bewegte sich
mit langen, gelassenen Sprüngen, wie in Zeitlupe, auf sie zu. Er
hatte ein Stirnband aus Khaki um den Kopf, an seiner Tarnjak ke hingen
Handgranaten, das M 16 in seinen Händen feuerte bereits, der Mund
war zu jenem wilden Schrei geöffnet.
Reflexartig richtete sie die Kamera
auf die Szene und knipste weiter, als er einen, dann den anderen
Vietnamesen aus der Hüfte feuernd erledigte, das M 16 leerte und
den Jungen erreichte, der hartnäckig weiterschoß, in einem
Winkel, in dem er nichts treffen konnte. Der Kolben des M 16 fuhr
hinunter, zerschmetterte Knochen, der Junge ging zu Boden. Ihr Retter
machte sich nicht mal die Mühe, neu zu laden, nahm einfach ihre
Hand, drehte sich um und bahnte sich durch das gurgelnde Wasser einen
Weg zurück ins Schilf.
Nun waren hinter ihnen auf dem Damm
Stimmen, und es wurde wieder geschossen. Es war, als träte sie
jemand ans linke Bein, mehr nicht, und sie fiel abermals hin. Er sauste
herum, rammte ein Magazin in das M 16, nahm den Damm unter Feuer, und
dabei lachte er, das war das Schreckliche, das ihr auffiel,
während sie zu ihm hochsah und aufzustehen versuch te. Als er nach
unten langte und ihr aufhalf, war sie sich einer Energie bewußt,
einer elementaren Kraft, die ihr Begriffsver mögen zu sprengen
drohte. Dann stand sie wieder auf den Füßen, und sie
erreichten das sichere Schilf.
Sie saß auf einer kleinen Sandbank im
Wasser, als er ihre Khakihose mit einem Messer aufschlitzte und die
Wunde untersuchte.
»Sie haben noch Glück
gehabt«, sagte er. »Glatter Durch schuß. Sicher ein M
1. Ein AK hätte den Knochen zersplittert.«
Geschickt legte er einen Notverband an, brach eine Morphi
umspritze auf und
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