Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Therapie: Psychothriller (German Edition)

Die Therapie: Psychothriller (German Edition)

Titel: Die Therapie: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
Vom Netzwerk:
blieb. Es war so weit. Die Zeit des Telefonierens war endgültig vorbei. Auch das Konto konnte warten.
    Viktor nahm die Pistole, die ihm Halberstaedt gegeben hatte, entsicherte sie und steckte sie dann in die Innentasche seines wasserdichten Goretex-Mantels. Auch den würde er gut brauchen können.
    Jetzt.
    Wenn er sich zu Fuß durch den Sturm ins Dorf kämpfte, wo er zweierlei zu finden hoffte:
    Antworten und Anna Spiegel.

43. Kapitel
    E s gibt Menschen, die leiden unter kalten Füßen, die sie stundenlang am Einschlafen hindern, weil sie selbst durch heftiges Aneinanderreiben unter der Bettdecke nicht wieder warm werden wollen. Andere frieren an kalten Tagen zuerst an der Nase.
    Bei Viktor waren die Ohren am empfindlichsten. Wenn die Temperaturen sanken, schmerzten sie, sobald er in der kalten Luft stand. Noch schlimmer allerdings waren die Qualen, die sich einstellten, wenn Viktor wieder in die Wärme kam und seine Ohren »auftauten«. Dann gingen die Schmerzen im Ohr in stechende Kopfschmerzen über, die sich, vom Nacken herkommend, über den gesamten Hinterkopf zogen und selbst mit Aspirin oder Ibuprofen nicht abzustellen waren. Diese Lektion hatte Viktor bereits in seiner Kindheit schmerzvoll gelernt, und er zog sich deshalb auch heute auf dem Weg ins Dorf die Kapuze fest ins Gesicht. Weniger um den Regen abzuhalten, als um seine Ohren zu schützen.
    Diese Kapuze und der Lärm des unablässig peitschenden Sturms, der ein Gemenge aus Sand und Blättern durch die Gegend wirbelte, machten es unmöglich, dass Viktor die metallische Melodie hören konnte, die aus seiner Jackentasche kam. Und hätte er sich nicht auf seinem Weg über die mittlerweile hoffnungslos überflutete Sandstraße kurz am alten Zollhaus untergestellt, wäre das Klingeln für immer unbemerkt geblieben. Zumal Viktor aus nahe liegenden Gründen gar keine Veranlassung sah, auf sein Handy zu achten. Es konnte hier draußen gar nicht funktionieren, denn es gab kein Netz auf Parkum. Und trotzdem läutete es, wie Viktor erstaunt zur Kenntnis nahm, als er seine Kapuze nach hinten streifte.
    Er sah auf das Display, und die Nummer kam ihm irgendwie bekannt vor.
    »Hallo?«
    Viktor steckte sich einen Finger in das linke Ohr, um bei diesem Wind überhaupt etwas hören zu können. Doch am anderen Ende der Leitung schien niemand zu sein. »Hallo, wer ist denn da?«
    Der Sturm ließ für einen kurzen Moment nach, und er glaubte, ein Schluchzen zu hören.
    »Anna? Sind Sie das?«
    »Ja, es tut mir Leid, ich …«
    Den Rest konnte Viktor nicht verstehen, weil in dieser Sekunde ein dicker Ast auf das Dach seines Unterstandes knallte.
    »Anna, wo sind Sie?«
    »… ich … Anker …«
    Die Gesprächsfetzen waren zusammenhanglos, aber Viktor versuchte trotzdem, die Verbindung mit ihr aufrechtzuerhalten.
    »Ich weiß, dass Sie nicht im ›Ankerhof‹ sind, Anna. Patrick Halberstaedt hat es mir gesagt. Also tun Sie mir einen Gefallen. Schicken Sie mir bitte eine SMS mit Ihrem genauen Aufenthaltsort. Ich komme in wenigen Minuten zu Ihnen, und wir besprechen alles. Von Angesicht zu …«
    »Es ist wieder passiert!«
    Sie schrie diesen Satz, während der wütende Sturm der Insel einen kurzen Moment Ruhe gönnte, um danach sofort mit Brachialgewalt weiter zu tosen.
    »Was ist passiert?«
    »… sie … bei mir … Charlotte …«
    Viktor brauchte den vollständigen Satz gar nicht zu hören. Er wusste auch so, was sie ihm zu verstehen geben wollte. Es war passiert. Sie hatte einen schweren schizophrenen Schub. Charlotte war zum Leben erwacht.

    Nach zwei Minuten des Nachdenkens begriff Viktor, dass die Leitung wieder tot war. Und obwohl er fassungslos zur Kenntnis nahm, dass sein Nokia-Display keinen Empfang anzeigte, signalisierte ihm das Standardpiepsen den Eingang einer SMS:
    »Suchen Sie mich nicht. Ich werde SIE finden!«

44. Kapitel
    D ie meisten Autofahrer hassen einen Stau, weil er ihnen das Gefühl nimmt, eigene Entscheidungsgewalt zu besitzen. Sobald man auf eine Kette roter Rücklichter zufährt und feststellt, dass es vor einem nicht weitergeht, sucht man instinktiv nach einem Fluchtweg. Und selbst wenn man die Gegend gar nicht kennt, setzt man manchmal den Blinker und nimmt die nächstmögliche Ausfahrt.
    In dieser Sekunde befand sich Viktor in einer ähnlichen Situation wie ein Autofahrer, der im Feierabendverkehr vor die Wahl gestellt ist, die letzte Ausfahrt vorüberziehen zu lassen oder in ungewohntes Gebiet auszuweichen. Und wie viele

Weitere Kostenlose Bücher