Die Therapie: Psychothriller (German Edition)
sein, damit sie mit der Realität besser zurechtkommt.«
»Das heißt, alles was sie mir erzählt hat …«
»… ist wirklich geschehen. Sie hat all die schrecklichen Dinge wirklich erlebt. Sie flüchtete sich danach in eine eingebildete Krankheit, um sich nicht der Wahrheit stellen zu müssen. Verstehen Sie, was ich sage?«
»Ja.«
Alles echt: Charlotte, der Einbruch im Bungalow, die Fahrt nach Hamburg, das Gift …
»Aber wieso haben Sie Anna zu mir geschickt?«
»Das habe ich doch gar nicht getan, Dr. Larenz. Ich wollte Frau Spiegel in letzter Zeit gar nicht mehr behandeln. Warum sollte ich sie dann Ihnen aufbürden, wo Sie doch gar nicht mehr praktizieren? Nein, sie ist eines Tages einfach nicht mehr bei mir erschienen. Und das macht die Sache ja so mysteriös. Sie verschwand an dem Tag des Einbruchs, und ich bin mir sicher, dass sie etwas damit zu tun hat.«
»Wieso?«
»Weil sie in den letzten Sitzungen immer wieder von Ihnen gesprochen hatte, Dr. Larenz. Dass da noch eine alte Rechnung offen wäre. Sie sprach einmal sogar davon, sie überlege, Sie zu vergiften.«
Viktor schluckte und stellte fest, dass es ihm besser gelang als während der letzten Tage.
»Mich vergiften. Aber warum denn? Ich kenne die Frau doch gar nicht.«
»Oh, sie kennt Sie dafür umso besser.«
Viktor musste an Isabell denken, die vor wenigen Minuten fast das Gleiche zu ihm gesagt hatte.
»Frau Spiegel sprach dauernd von Ihnen. O Gott, ich mache mir so große Vorwürfe. Ich glaube, sie ist sehr gefährlich. Nein, ich weiß es. Sie hat mir immer wieder schreckliche Dinge erzählt. Grausamkeiten, die sie anderen Menschen angetan hat. Vor allen Dingen diesem armen kleinen Mädchen.«
»Charlotte?«
»Ja. So hieß sie, glaube ich. Oh, ich mache mir so schlimme Vorwürfe, Dr. Larenz, bitte glauben Sie mir. Ich wünschte, ich hätte auf meine innere Stimme gehört und den Fall abgegeben. Sie hätte in eine geschlossene Anstalt eingewiesen werden müssen.«
»Und warum haben Sie es nicht getan?«
»Ja, aber …«, wieder stockte der Professor. »Aber, das wissen Sie doch.«
»Was weiß ich?«
»Ich konnte die Therapie mit Anna nicht einfach einstellen.«
»Wieso denn nicht?«
»Weil ich es Ihrer Frau versprochen hatte. Ich stand im Wort.«
»Meiner Frau?« Viktor schwankte und musste sich an der Kühlschranktür festhalten.
»Ja. Isabell. Sie war es, die mich gebeten hat, Anna weiter zu behandeln. Was sollte ich denn machen? Schließlich handelte es sich doch um ihre beste Freundin.«
42. Kapitel
I sabell. Anna. Josy. Langsam machte alles Sinn. Warum Isabell damals so ruhig geblieben war, als Josy verschwand. Warum sie emotional viel weniger belastet schien als er. Sie hatte problemlos weiter zur Arbeit gehen können, während er seine Praxis verkaufen musste. Früher hatte er sie immer für ihre Stärke bewundert. Aber vielleicht hätte man es auch als Gefühlskälte auslegen können?
Viktors Gedanken stoben in alle Richtungen. Wenn er es rückblickend betrachtete, hatte sie eigentlich nicht richtig um ihr einziges Kind getrauert. Nicht so wie er. Und hatte sie Sindbad wirklich gefunden oder war sie ins Tierheim gefahren, um einen Ersatz für Josy zu holen? Kannte er seine Frau überhaupt? Jedenfalls war sie jetzt, in der schlimmsten Phase seines Lebens, nicht für ihn erreichbar gewesen.
Sie hatte Anna zu van Druisen geschickt.
Und dann war da noch die Sache mit dem Geld.
Viktor fuhr im Wohnzimmer seinen Computer hoch, um im Internet die Homepage seiner Bank aufzurufen.
Konnte es wirklich wahr sein? Hatte Isabell ihr gemeinsames Konto leer geräumt? Machte sie gemeinsame Sache mit Anna, um ihn in den Wahnsinn zu treiben?
Er wollte den Microsoft-Internet-Explorer öffnen, da fiel sein Blick auf die untere Taskleiste des Laptops. Völlig verwirrt fuhr er mit der Maus nach unten. Doch das Ergebnis blieb dasselbe.
Alle Icons waren gelöscht.
Er öffnete den Windows Explorer über das Start-Menü, aber auch hier dasselbe Bild. Sein Computer war leer. Es gab auf der gesamten Festplatte keine Dateien mehr.
Jemand hatte sich die Mühe gemacht, alle Notizen, Dokumente und Patientenakten zu entfernen. Das angefangene Interview war ausradiert worden und selbst der Papierkorb, in dem normalerweise die ausrangierten Dateien nach dem Löschen zwischengespeichert werden, war leer.
Viktor stand so ruckartig von seinem Schreibtisch auf, dass der Lederstuhl nach hinten kippte und krachend neben dem Bücherregal liegen
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