Die Tiefen deines Herzens
Felix verliebt bin. Jetzt hör mir erst mal zu.« Schnell erzählte ich Geena, was sich gerade am Strand abgespielt und dass nicht ich Marc, sondern er mich geküsst hatte.
Geena sagte gleich noch einmal
Heilige Scheiße
und dann eine Weile nichts mehr.
»Bist du noch dran?«, erkundigte ich mich schließlich.
Ich hörte sie tief durchatmen. »Klar, und nach dem ersten Schock nun auch wieder mit Stimme. Okay, Süße, Felix und du, das ist wie Romeo und Julia – nur mit Happy End. Das ist schon mal klar. Dieser Marc, so wie du ihn gerade beschrieben hast, klingt nach verdammt gut aussehendem Scheißkerl, den du ab sofort bitte aus deinem Hirn radierst. Du musst mir hoch und heilig versprechen, ihm aus dem Weg zu gehen, Leni, hörst du?! Ich lass mir doch mein lang erhofftes Traumpaar nicht von so einem Usedomer Sunnyboy kaputt machen.«
»Er ist Engländer, und ich kann ihm nicht aus dem Weg gehen, weil er im Zimmer direkt neben mir wohnt und dazu auch noch der Neffe von Jamie, dem Freund meiner Tante, ist.«
»Heilige Scheiße!«, entfuhr es Geena zum dritten Mal.
Eine knappe Stunde später verließ ich den Strand.
Ich liebte Geena. Ich konnte immer auf sie zählen und sie war einfach eine super Freundin. Doch in diesem Fall hatte auch sie mir nicht wirklich weiterhelfen können.
Hast du Marc irgendwie zu diesem Kuss animiert? Denkt er, du stehst auf ihn? Oder ist er einfach nur so überzeugt von sich, dass er meint, jedes weibliche Wesen würde allein bei seinem Anblick dahinschmelzen?
Fragen über Fragen, die ich Geena allesamt nicht hatte beantworten können.
Und so schwirrte mir am Ende unseres Telefonats noch mehr der Kopf, auch wenn das sicher nicht Geenas Absicht gewesen war.
Irgendwann hatte ich dann schließlich so etwas wie einen Entschluss gefasst, hatte mit fahrigen Händen meine Sachen in meine Strandtasche gestopft und war zur Pension zurückgegangen.
Das Frühstück war zu Ende und ich fand Clara mit einer Tasse Kräutertee im Innenhof. Sie saß im hinteren Strandkorb und hatte die Beine weit von sich gestreckt. Als ich den Hof betrat, beugte sie sich ein wenig vor und lächelte mir entgegen. »Leni, bist du schon wieder zurück oder warst du noch gar nicht weg?«
Ich ließ mich neben sie in den Korb sinken. »Ich war nur kurz am Strand, aber da ist es mir zu voll.«
Clara nickte und verzog den Mund. »Tja, einerseits bin ich ja froh, dass wir so viele Feriengäste auf der Insel haben. Andererseits kann es echt nervig sein. Ich hasse diese überfüllten Strände. Rechts von der Seebrücke, da, wo es immer felsiger wird, kann man es gut aushalten, weil sich kaum ein Badegast dorthin verirrt.«
»Da war ich«, erwiderte ich mit bemüht ruhiger Stimme. »Aber ich war nicht allein.«
Clara hob erstaunt die Augenbrauen. »Mit wem warst du denn dort?«
»Mit Marc!«
»Aha!« Clara blickte mich erwartungsvoll an.
»Er hat mich geküsst«, sagte ich unvermittelt.
Hatte ich eine heftige, wenn nicht sogar empörte oder wütende Reaktion von meiner Tante erwartet, so wurde ich eines Besseren belehrt. Sie lehnte sich im Strandkorb zurück und schwieg.
Das brachte das Fass für mich zum Überlaufen.
»Gegen meinen Willen, Clara! Er hat mich einfach gepackt und brutal geküsst!«, brach es so plötzlich aus mir hervor, dass Clara erschrocken zusammenzuckte und der heiße Tee in ihrer Tasse überschwappte.
»Aua, verflixt!«, rief sie, weil sich die kochend heiße Flüssigkeit über ihre Hände ergossen hatte.
Sie sprang auf und knallte die Tasse auf den Beistelltisch. Dann wischte sie sich die Hände an ihrer Jeans trocken und betrachtete sie einen Moment mit vor Schmerz verzogenem Gesicht.
»Mist«, murmelte sie. »Das gibt bestimmt Brandblasen.«
Schuldbewusst rannte ich in die Küche, schnappte mir zwei saubere Geschirrtücher und hielt sie unter eiskaltes Wasser. Als ich in den Innenhof zurückkam, saß Clara wieder im Strandkorb. Ich hockte mich neben sie und umwickelte ihre Hände mit den feuchten Tüchern.
Clara lächelte mich dankbar an. »Ich bin schrecklich tollpatschig. Ich weiß.«
Ich schüttelte den Kopf. »Es war mein Fehler. Wenn ich nicht plötzlich so rumgeschrien hätte, dann …«
»Leni,
ich
bin die blöde Kuh von uns beiden. Nicht du!«, erklärte sie ernst. »Ich habe dein Verhalten offensichtlich ganz falsch gedeutet.«
»Mein Verhalten?«
Clara nickte. »Marc hat mich gestern Abend auf deine
Zickigkeit,
wie er es ausgedrückt hat, angesprochen, und ich war der
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