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Die Tiefen deines Herzens

Die Tiefen deines Herzens

Titel: Die Tiefen deines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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stellte sie bemüht heiter fest.
    »Es tut mir echt leid, Clara. Ich wollte dir nicht wehtun«, murmelte ich.
    Sie lächelte mich betrübt an. »Das weiß ich, Leni«, sagte sie und nahm mich in den Arm. Ich schmiegte mich ganz fest an sie, so wie ich es als kleines Kind immer bei meiner Mutter gemacht hatte, wenn ich Kummer hatte, und ich spürte, wie mir das Herz ein wenig leichter wurde.
    »Es ist schon fast ein Jahr her«, flüsterte Clara in mein Haar. »Aber er kriegt es einfach nicht verarbeitet. Weißt du, Marc ist wie ein Sohn für uns. Und das Gefühl, ihm einfach nicht helfen zu können, ist furchtbar. Dabei zusehen zu müssen, wie er sich immer tiefer in die Scheiße reitet.«
    Ich löste mich aus der Umarmung und rutschte ein Stückchen von ihr ab, sodass ich ihr direkt ins Gesicht blicken konnte. »Warum, was hat Marc denn im letzten Jahr gemacht? Ich meine …« Ich brachte meinen Satz nicht zu Ende, weil mir die Frage plötzlich so banal vorkam, als hätte ich mich erkundigt, was es heute zum Mittagessen geben würde.
    Clara lachte traurig auf. »Daran gearbeitet, sein Leben zu zerstören.«

E rinnerungen sind wie kleine Sterne, die tröstend in das Dunkel unserer Trauer leuchten.
(Sprichwort)
7
    Es war weit nach Mitternacht. Ich lag im Bett und konnte nicht schlafen. Zu viele Gedanken gingen mir noch im Kopf herum. Lose Fäden, die ich nicht miteinander verknüpfen konnte. Ich dachte an Felix. Den ganzen Tag über hatte ich ihn nicht erreicht, und er hatte auch nicht zurückgerufen, obwohl er doch gesehen haben musste, dass ich es mehrfach versucht hatte. Mittlerweile glaubte ich, dass er mir meine Reaktion auf seinen Vorschlag, mit ihm nach Hamburg zu gehen, übel nahm. Mir war die Idee so verrückt vorgekommen, dass ich spontan losgelacht hatte. Felix hatte krampfhaft versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Eigentlich kannte ich ihn doch gut genug. Warum hatte ich den gekränkten Unterton in seiner Stimme überhört, als er schließlich kurz angebunden vorschlug, dass wir später, wenn ich aus Usedom zurück sei, in Ruhe darüber sprechen sollten.
    Ich hatte ihn verletzt, obwohl gerade er der letzte Mensch auf Erden war, dem ich wehtun wollte. Aber sein Vorschlag hatte mich nun mal überrumpelt.
    Wie sollte das denn auch funktionieren? Ich war siebzehn und Felix nur knapp ein Jahr älter. Wovon sollten wir leben, wo wohnen und was war mit der Schule? – Mal ganz davon abgesehen, dass meine Eltern mich mit hundertprozentiger Sicherheit nicht einfach so nach Hamburg gehen lassen würden. Felix’ Idee hörte sich mehr als spannend an und war gleichzeitig unmöglich in die Tat umzusetzen. Das musste ihm doch auch klar sein!
    Seufzend knipste ich die Nachttischlampe an und betrachtete eine Weile die weiß getünchte Wand, bevor ich die Bettdecke zur Seite schlug und aufstand.
    Unentschlossen lief ich im Zimmer umher, löschte schließlich das Licht wieder und trat auf den schmalen Balkon hinaus.
    Die Nacht war tiefschwarz und der Himmel von Sternen übersät. Gebannt schaute ich nach oben und mit einem Malvöllig unerwartet – sah ich Marcs Gesicht so deutlich, als stünde er direkt vor mir. Sein Blick, der mich wie ein Pfeil durchbohrt hatte, der überhebliche Klang in seiner Stimme, der brutale Kuss, der mir noch immer auf den Lippen brannte. Allein der Gedanke daran jagte einen eiskalten Stoß in meinen Bauch. Ich konnte es noch immer nicht glauben, dass er mich geküsst hatte. So grob und besitzergreifend. Und erst sein fassungsloser Gesichtsausdruck nach der Ohrfeige … Clara hatte mit ihrer blödsinnigen Vermutung, ich könnte an Marc interessiert sein, wirklich ganze Arbeit geleistet.
    »Ihr passt gut zusammen«, erklang plötzlich eine Stimme in der Dunkelheit.
    Der Schreck peitschte mir durch die Adern, noch bevor mein Hirn realisierte, wer da gesprochen hatte.
    Pfeifend schoss der Atem aus mir heraus. »Wer … wer ist da?«, krächzte ich.
    »Herrgott! Dein schlechtes Gewissen oder was glaubst du?!«
    Marc! Der hat mir gerade noch gefehlt!, war das Einzige, was ich denken konnte.
    Seit unserer unschönen Begegnung am Strand war ich ihm zum Glück nicht mehr über den Weg gelaufen. Beim Abendessen hatte er sich nicht sehen lassen, und Clara hatte sich schon um ihn gesorgt, aber nun war er wohl wieder da.
    Ich wagte einen vorsichtigen Blick nach links, konnte aber in der Dunkelheit nur schemenhaft seine Umrisse ausmachen – und die Glut seiner Zigarette. Klar, daher kam der rauchige

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