Die Tiefen deines Herzens
einfach rausgerutscht. Ich hatte es gar nicht sagen wollen. Aber dieser Typ, wie er da so selbstherrlich hockte und mich anstarrte, regte mich einfach dermaßen auf.
»Nichts. War nur eine Redensart.« Ich zuckte betont gleichgültig mit den Schultern.
»Aha«, machte er, rutschte vom Fenstersims und kam auf mich zu. Auf so eine bedrohliche Art. Als wäre er ein Raubtier, das gleich zum Sprung ansetzt. Am liebsten hätte ich ihn weggestoßen. Oder wäre fortgelaufen. Aber ich tat keins von beidem. Blieb einfach nur regungslos stehen, als ob meine Füße mit dem Boden verwachsen wären, und ließ zu, dass seine Augen sich in meine bohrten.
So dicht vor mir, dass ich seinen nach Qualm stinkenden Atem auf meiner Haut spüren konnte, hielt er inne und sagte mit rauer Stimme:
»Sweetie,
du solltest dich lieber nicht in meine Angelegenheiten mischen und deinen kleinen Kopf mit Dingen belasten, die dich einen
fucking bullshit
angehen. Klar?!«
»Super Umgangssprache!«, brachte ich hervor.
»Standard!«, ranzte er zurück.
Dann war er weg.
Leise fluchend verließ auch ich den Raum und machte mich auf die Suche nach Clara.
Ich fand sie im Kräutergarten. »Dieser Marc ist so ein blasierter Arsch!«, platzte ich sofort heraus.
Clara war verblüfft. »Redest du von
unserem
Marc?«
Hallo? Von wem denn sonst?! Ich blickte sie vielsagend an.
»Aber warum denn das?«
»Er war eben ziemlich …
ätzend
zu mir.«
Claras grüne Augen waren unverwandt auf mich gerichtet, und ich hatte das untrügliche Gefühl, dass sie mich nicht verstand.
»Mag sein, dass Marc manchmal etwas
sperrig
ist und es einem nicht immer leichtfällt, wenn man den Umgang mit ihm nicht gewohnt ist. Das führt schon mal zu Unsicherheiten.«
»Wie bitte?« Ich traute meinen Ohren nicht. Clara war ja wohl völlig auf dem Holzweg!
»Ich weiß«, fügte sie nun auch noch schmunzelnd hinzu, »er ist ein verdammt gut aussehender Kerl.«
»Findest du?«, fragte ich.
Clara nickte und stellte dann ganz sachlich fest: »Marc ist schön.«
Ich schwieg vollkommen perplex und versuchte, mir Marc ins Gedächtnis zu rufen. Seine Lippen, die immer ein überhebliches Lächeln umspielte, die gerade schmale Nase mit dieser feinen Narbe, die schräg über ihren Rücken lief. Die dunklen Augen, die mich an ein in die Ecke gedrängtes wildes Tier erinnerten … Das markante Gesicht, das von braunem Haar umrahmt war … Und plötzlich wurde mir klar, was Clara meinte: Marc sah tatsächlich gut aus. Und das war wohl auch der Grund, warum meine Tante glaubte, dass seine Gegenwart mich verunsicherte.
Ich holte tief Luft. »Dieser Typ könnte das letzte männliche Wesen auf diesem Planeten sein, ich würde ihn nicht eines Blickes würdigen«, stellte ich klar.
Und dann sagte ich etwas, was ich gleich darauf bereute: »Und wenn ich das richtig verstanden habe, bist du auch froh, wenn er so schnell wie möglich wieder von hier verschwindet.«
Clara sah mich überrascht an und ich konnte ihrem Blick nicht standhalten.
»Ich habe euer Gespräch heute Morgen mitbekommen«, brachte ich leise hervor, unsicher, wie Clara reagieren würde. Als sie daraufhin schwieg, hob ich den Kopf und fügte fast ein wenig trotzig hinzu: »Ich wollte das nicht. Es ist einfach passiert. Ich habe auch nur ein paar Sätze aufgeschnappt. Aber auf jeden Fall glaube ich, herausgehört zu haben, dass du nicht gerade glücklich über sein plötzliches Auftauchen bist.«
»Da hast du dich getäuscht, Leni.« Ein trauriger Ausdruck huschte über ihr Gesicht.
»Wirklich?«, flüsterte ich.
Clara nickte. »Ich bin froh, dass er hier ist.«
»Aber …«
Sie hob die Hände und fiel mir ins Wort. »Marc hat zurzeit eine Menge Probleme zu Hause in England. Jamie hat ihm deshalb zigmal angeboten, dass er hierherkommen und in seinem Camp trainieren kann. Aber er wollte nicht.«
»Trainieren?« Jetzt verstand ich überhaupt nichts mehr.
Clara lächelte schmal. »Marc ist Profiboxer. Genauso wie Jamie es einmal war. Ich dachte, das hätte ich gestern bereits erwähnt.«
Ich schüttelte den Kopf und war insgeheim froh, mich nicht weiter mit ihm angelegt zu haben. Womöglich hätte er mir sonst noch eine schlagkräftige Kostprobe seines Könnens gegeben.
Clara wischte sich mit dem Handrücken die Schweißperlen von der Stirn und seufzte leise. »Marc ist sogar sehr erfolgreich gewesen. Bis …«
Sie stockte, atmete tief durch und deutete mit dem Kopf auf das Ferienhaus. »Ich denke, wir sollten unser
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