Die Tiefen deines Herzens
Stimme, noch dazu ein Lied, das so tief, tief unter die Haut ging, dass ich alles um mich herum ausblendete.
Während er sang, bewegte er sich kaum, nur hin und wieder unterstrich er ein Wort oder eine Zeile mit einer schlichten Handbewegung.
Die Brünette setzte ein und er schaute sie an. Obwohl auch sie eine echte Überraschung für mich war, weil sie jede einzelne Note traf und mit voller Hingabe füllte, klebte mein Blick an Marc.
Er schaute ins Publikum und dann trafen sich unsere Blicke. Seine Augen versenkten sich in meine. Er sah mich an und sang:
»Tonight the light of love is in your eyes … But will you love me tomorrow?«,
und es fühlte sich so an, als ob er
mir
diese Frage stellte.
Ich wollte wegschauen, aber seine Augen und seine Stimme hielten mich gefangen. Er lächelte, und ich hatte das Gefühl, wahnsinnig zu werden, wenn er nicht bald aufhörte, mich so anzusehen.
Ein prickelnder Schauer jagte mir über den Rücken, gleichzeitig schnürte mir irgendetwas die Luft ab.
Okay, Leni, tief durchatmen. Das ist nur Marc. Marc, der verfluchte Zyniker, der andauernd nur ätzend zu dir ist. Komm also wieder runter, Mädchen!
Aber es nützte nichts. Solange Marc sang und mich dabei mit seinem Blick gefangen hielt, war ich nicht in der Lage, mich von ihm zu lösen.
Endlich endete das Lied und sofort erfüllte tosender Applaus den Raum. Einige der Zuschauer riefen immer wieder: »Zugabe! Zugabe!«
Marc schien wie aus einem Traum zu erwachen, lächelte dem Publikum fast ein wenig schüchtern zu und bedankte sich dann mit Küssen auf beiden Wangen bei seiner Gesangspartnerin, woraufhin diese euphorisch ins Mikro rief: »Leute, dieser Typ sieht nicht nur hammermäßig aus, er singt auch noch hammermäßig! Verdammte Axt, ich bin total begeistert! Willst du mich heiraten?«
Die Leute lachten und tobten. Dennoch ließ Marc sich nicht zu einer Zugabe hinreißen. Er hielt der Brünetten galant den Arm hin und führte sie zu ihrem Tisch zurück, wo sie von ihren albern herumkichernden Freundinnen in Empfang genommen wurde. Schon fingen alle drei an, Marc aufs Übelste anzuhimmeln und anzubaggern. Es war einfach nur noch lächerlich!
Ein paarmal erklangen noch Zugaberufe, doch als eine ältere Frau mit schulterlangem knallrotem Haar die Bühne betrat und ankündigte, dass sie sich an einem Tina-Turner-Song probieren wollte, hörten die Rufe schließlich auf.
Marcs Gesangspartnerin ließ sich dermaßen aufreizend auf ihren Stuhl sinken und versuchte so vehement, Marc zu einem Drink zu überreden, dass ich wegschauen musste, weil ich es einfach nicht mehr ertragen konnte, weil es so peinlich war, weil es so … ach, keine Ahnung, warum.
Doch Marc schien kein Interesse zu haben, denn er kam an unseren Tisch zurück.
»
Unbelievable!
Das war music! «, rief Jamie und klopfte Marc begeistert auf die Schulter.
Ich sagte nichts. Mir fehlten noch immer die Worte. Und als Marc sich nach vorn beugte, um sein Getränk vom Tisch zu nehmen, und sein Arm dabei wie zufällig meinen streifte, da überkam es mich heiß und kalt. Meine Wangen begannen zu glühen und tief in mir zog sich etwas auf höchst angenehme und gleichzeitig unbekannte Weise zusammen. Irgendetwas drängte da gerade an die Oberfläche. Etwas, das ich nicht wollte, nicht gebrauchen konnte, weil Marc absolut nicht mein Typ und ich schwer in Felix verliebt war.
Und warum war mein Mund dann so trocken? Warum überschlug sich mein Herz in meiner Brust? Das konnte doch nicht möglich sein. Dieses eine kurze Lied vermochte doch nicht …
Ich schloss die Augen, versuchte, mir über meine chaotischen Empfindungen klar zu werden. Als ich sie wieder öffnete, bemerkte ich, dass Marc mich ansah. Er lächelte und ich wurde noch roter.
Verdammt! Verdammt! Verdammt! Warum musste dieser arrogante Arsch nur so verboten gut aussehen – und dazu auch noch so genial singen können!
Den Rest des Abends erlebte ich wie in Watte gepackt. Clara und Jamie amüsierten sich köstlich über die Karaokedarbietungen der anderen Lounge-Besucher. Ich musste zugeben, dass der eine oder andere Möchtegernsänger wirklich zum Wegschmeißen komisch war. Dennoch konnte ich mir nur mühsam ein Lächeln abringen. Irgendetwas war geschehen. Auf eine komische Art und Weise hatte sich Marc noch fester in meinen Gedanken verankert und Felix zur Randfigur werden lassen.
Ich mochte das Gefühl nicht. Es machte mir Angst, weil ich es nicht verstand. Dennoch war es da. Einfach da.
Marc
Weitere Kostenlose Bücher