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Die Tiefen deines Herzens

Die Tiefen deines Herzens

Titel: Die Tiefen deines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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rauswollte.
    Ich hörte Felix durchatmen. »Das sagst du ihnen am besten selbst, wenn du wieder zu Hause bist.«
    »Das … das ist nicht so einfach«, flüsterte ich.
    »Und warum nicht?«
    »Weil ich in England bin …«
    »Du bist wo?« Felix’ Stimme überschlug sich fast vor Fassungslosigkeit. »Etwa mit diesem Marc?«
    Jetzt konnte ich die Tränen nicht länger zurückhalten. »Hat Geena euch denn nichts gesagt? Ich habe doch mit ihr telefoniert.« Ich war mir noch nie so mies und klein und egoistisch vorgekommen wie in diesem Moment.
    Was war ich doch für eine dämliche Kuh! War einfach mit Marc nach England abgehauen, ohne Rücksicht auf Verluste. Völlig egal, wie es meinen Eltern damit ging. Und jetzt, wo ich die ersten Zweifel hatte, da rief ich ausgerechnet Felix an, den ich so sehr verletzt hatte.
    »Es tut mir unendlich leid … mehr kann ich dazu nicht sagen.« Damit beendete ich das Gespräch.
    Als ich mich langsam vom Fenster abwandte, schniefend und mit einem Gefühl, als ob mein Herz in der Brust zerspringen wollte, stand Marc plötzlich vor mir. Sein Blick war voller mühsam unterdrückter Wut.
    Ich brachte vor Schreck keinen Ton heraus, konnte mich nur beklommen fragen, wie lange er dort bereits stand, was er gehört hatte und ob er mich schon die ganze Zeit über so verächtlich angestarrt hatte.
    »Wer war das?«, fragte er. »Deine Stimme hat sich verdammt schrill angehört.«
    »Ich hab versucht, zu Hause anzurufen.« Ich spürte, dass mein Gesicht glühte. »Ist aber nur der AB angesprungen.«
    »Hm.« Marc musterte mich eindringlich. »Gibt es vielleicht etwas, das du mir sagen möchtest?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich dachte nur, es wäre besser, wenn meine Eltern wüssten, dass es mir gut geht … Wenigstens ein Lebenszeichen von mir …«
    »So, so«, murmelte Marc. Er wirkte kein bisschen von der Harmlosigkeit, die ich dem Anruf verleihen wollte, überzeugt. »Und du hast nur auf den AB gesprochen.« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, trotzdem nickte ich.
    Marc schüttelte seufzend den Kopf. Dann kam er auf mich zu und hielt die Hand auf. »Gib es mir, Leni.«
    »Nein«, erwiderte ich empört. »Das werde ich ganz bestimmt nicht tun!«
    Im selben Moment begann das Handy in meiner Hand zu klingeln.
    Ich zuckte erschrocken zusammen. Felix’ Name erschien auf dem Display. Bevor ich ihn wegdrücken konnte, hatte Marc mir das Handy schon aus der Hand gerissen. Er warf es auf den Boden und bereitete dem Klingeln mit einem festen Fußtritt ein Ende.
    Ich starrte ungläubig auf mein zertretenes Handy und dann zu Marc.
    »Bist du jetzt total durchgeknallt?«, fauchte ich ihn an.
    Er holte tief Luft, strich sich mit einer hektischen Bewegung übers Gesicht.
    »Diese verdammten Lügen, Leni«, presste er hervor. »Warum lügst du mich ständig an? Warum tust du das?«
    Ich konnte nichts erwidern. Konnte ihn nur anstarren. Wie er vor mir stand, die Arme seitlich neben dem Körper herunterhängend, die Fäuste geballt, so als ob er mit sich selbst rang, seine Wut im Zaum halten musste. Und zum ersten Mal verspürte ich so etwas wie Angst vor ihm.

A uch durch ein Nadelöhr
kann man den Himmel sehen.
(Aus Japan)
20
    Kurz nachdem die Schlafzimmertür mit einem lauten Knall zugefallen war, hörte ich, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte, und rannte zur Tür. Ich rüttelte an der Klinke, musste jedoch bald einsehen, dass es vergebens war. Marc hatte mich eingesperrt.
    Ungläubig schlug ich mit der flachen Hand gegen das Holz.
    »Marc! Marc?«, schrie ich. »Was soll der Scheiß? Lass mich raus!«
    Immer wieder trommelte ich mit den Fäusten gegen die Tür. Doch als auf der anderen Seite keine Reaktion erfolgte, hielt ich inne und lauschte.
    Im Haus war es still geworden, beängstigend still. War Marc gegangen? Hatte er mich etwa hier allein gelassen? Ich unterdrückte die aufsteigende Panik und atmete ein paarmal tief durch.
    »Marc? Bist du noch da?«
    Nichts.
    Ich ging zum Bett und ließ mich davor auf den Boden niedersinken.
    Seit wir in dieses Haus gekommen waren, lief alles nur noch schief. Ich konnte mir nicht erklären, woran es lag, aber Marc schien mir immer fremder zu werden. Wie kam er dazu, mein Handy zu zertreten? Und dann sperrte er mich auch noch ein! War es ein Fehler gewesen, mit ihm abzuhauen? Hatte ich in Marc etwas gesehen, das er gar nicht war?
    Plötzlich riss mich das Knarren der Flurdielen aus meinen Gedanken, schwere Schritte auf der Treppe

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