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Die Tiefen deines Herzens

Die Tiefen deines Herzens

Titel: Die Tiefen deines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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Kolonialstil.
    »Ist die schön!« Ich strich über das Holz.
    Marc stellte sich hinter mich und legte seine Hände auf meine Schultern. »Ja, sie hat mir auch auf Anhieb gefallen. Henry meinte, sie sei das einzig Wertvolle in diesem Haus.«
    Ich drehte mich zu ihm um. »Bist du schon öfter hier gewesen?«
    Marc nickte. »Henry und ich haben ab und zu ein Wochenende hier verbracht, bevor er …« Ein wehmütiger Schatten huschte über sein Gesicht.
    »Aha«, sagte ich nur. Jetzt wusste ich wenigstens, warum das Haus so einen bewohnten Eindruck machte.
    Marc ging zum Wohnzimmerfenster, öffnete es weit und forderte mich auf hinauszusehen.
    »Dieses riesige Grundstück! Die vielen Obstbäume. Der Wald rundherum. Grün, grün, grün, wo immer du hinsiehst. Findest du das nicht auch wunderschön?«
    Ich nickte. »Ja, es ist wirklich schön hier«, gab ich zu. »Aber irgendwie auch einsam … Ich werde mir nachts in die Hose machen vor Angst.«
    Marc lachte, endlich wieder völlig frei und ungezwungen, und beinahe kam es mir so vor, als ob ich Gespenster gesehen hätte. Als ob ich mir Marcs sonderbares Verhalten nur eingebildet hätte, weil ich selbst so durcheinander war.
    Doch dann sagte er etwas, das mir erneut die Kehle zuschnürte. »Ich möchte hier nicht mehr weg. Am liebsten würde ich für immer hier leben.« Er beugte sich zu mir herunter und küsste meine Nasenspitze. »Mit dir!«
    Etwas später saß ich oben im Schlafzimmer auf dem breiten Doppelbett und sah mich um. Das Bett war frisch bezogen und duftete noch leicht nach Waschpulver. Auf der Fensterbank lagen ein paar Kosmetikutensilien, zwei Bücher und ein kleiner blauer Funkwecker.
    Seufzend erhob ich mich und ging zum Fenster hinüber. Marc war in den Wald gegangen, um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Ich hatte nicht mitgewollt. Nachdem er mir verkündet hatte, dass er für immer mit mir hier leben wollte, und ich ihn daraufhin entsetzt angesehen hatte, hatte sein Gesicht erneut diesen verschlossenen Ausdruck angenommen.
    Keine Sorge, das war natürlich nur ein Scherz!,
hatte er erklärt und mir bemüht fröhlich zugezwinkert.
Ich hab ganz bestimmt nicht vor, den Rest meines Lebens mit dir am Arsch der Welt zu verbringen.
    Doch da war wieder etwas in seinen Augen, so ein kalter Glanz, der seine Worte Lügen strafte. Und auch jetzt, wo ich aus dem Fenster schaute, über die Wiese hinüber zum Wald, wurde ich das mulmige Gefühl nicht los, dass ich einen Fehler begangen hatte. Es war ein Fehler gewesen, einfach nach England abzuhauen.
    Das Gefühl von Einsamkeit schien auf einmal aus allen Tür- und Fensterritzen in das Zimmer zu dringen und mir die Luft zum Atmen zu nehmen.
    Ich kramte mein Handy aus dem Rucksack hervor und schaltete es ein.
    Seit meiner Flucht aus Berlin hatte ich unzählige Anrufe in Abwesenheit bekommen und auf meiner Mailbox befanden sich zig neue Nachrichten. Unentschlossen, ob ich sie abhören sollte, betrachtete ich das Display, doch dann wählte ich mit leicht zittrigen Fingern Geenas Nummer. Ihre Mailbox sprang an und ich drückte die Verbindung mit einem Anflug von Enttäuschung weg.
    Ohne zu überlegen, wählte ich Felix’ Nummer. Es dauerte einen Moment, aber schließlich ertönte das Freizeichen und gleich darauf war er auch schon am Apparat.
    »Leni, bist … es?«, hörte ich ihn aufgeregt rufen. Die Verbindung war so schlecht, dass ich ihn kaum verstehen konnte. Immer wieder störte ein Rauschen unser Gespräch.
    »Ja.« Mehr brachte ich nicht heraus. Ich war unendlich froh, seine Stimme zu hören.
    »Wo bist du? Verd… noch mal, Leni, deine Eltern kommen fast … vor Sorge!«
    »Und du?« Ich wusste nicht, warum ich Felix diese Frage stellte.
    Eine Pause entstand, und ich dachte schon, die Verbindung sei abgebrochen. »Felix? Felix, hörst du mich?«, rief ich besorgt. »Bist du noch da?«
    »Ja, ich höre dich!« Plötzlich klang er reserviert. »Warum rufst du ausgerechnet … an? Oder hast du … auch schon bei deinen Eltern gemeldet?«
    »Nein, Felix, nein, nein, ich …«, stammelte ich, aber er fiel mir ins Wort. »Weißt du eigentlich, wie es deinen … geht? Hast du dir einmal darüber Gedanken gemacht, dass die gerade die Hölle auf Erden durchmachen? Einfach abzuhauen, ein paar Zeilen auf einen … kritzeln, echt, Leni, ich erkenne dich nicht wieder …«
    »Es tut mir leid«, wisperte ich, während ich verzweifelt gegen das Schluchzen ankämpfte, das tief in meiner Brust saß und unbedingt

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