Die Tiere in meiner Arche
sich an einem Wochenende ereignete. Ich mußte meinen Freund Oliver Graham-Jones, damals der leitende Tierarzt am Londoner Zoo, dazu bewegen, ein beschauliches Wochenende mit seinen preisgekrönten Zuchtrosen aufzugeben und mit einem Narkosegewehr nach Jersey zu fliegen. Einem anderen konnte er das Amt nicht übertragen, da die Polizei davon nichts wissen wollte. Er war schließlich der einzige, der die amtliche Genehmigung hatte, das Instrument zu gebrauchen. Mit Hilfe unserer eigenen Tierärzte betäubten wir das Tier und trafen die Vorbereitungen für einen Kaiserschnitt. Die Operation fand im Freigehege statt. Zur Beleuchtung hatten wir ein paar Zahnarztlampen aufgestellt. Der Operationstisch war verblüffend einfach: eine gründlich geschrubbte alte Tür auf zwei Blöcken. Es spricht für das Können unserer Tierärzte, daß die bereits eiternden Jungen — drei an der Zahl — entfernt und die Löwin sterilisiert werden konnte, ohne daß es irgendwelche Komplikationen durch Lungenentzündung oder Bauchfellentzündung gab, obwohl nach der Operation die Zoowerkstatt als Genesungsheim herhalten mußte.
Gewiß war diese Operation unhygienisch; es muß aber darauf hingewiesen werden, daß es Momente gibt, wo man es mit der Hygiene zu weit treiben kann. Wenn man den Käfig eines Tieres zweimal am Tag mit einem Desinfektionsmittel schrubbt, sein Futter keimfrei macht, es sorgsam von den Besuchern fernhält und selbst jedesmal Gesichtsmaske und Handschuhe trägt, wenn man mit dem Tier in Berührung kommt, dann wird es vielleicht prächtig gedeihen; aber schleicht sich nur ein kleiner, hartnäckiger und bösartiger Bazillus ein, schon ist ihm das Tier ausgeliefert, weil es nie Widerstandskräfte aufbauen konnte.
Ein gutes Beispiel hierfür bietet der Fall unserer beiden jungen Gorillas Assumbo und Mamfe. Die erfolgreiche Aufzucht von Gorillas ist immer noch hinreichend ungewöhnlich, um sie zu einer Besonderheit zu machen; deshalb wurden diese beiden — unsere Erstgeborenen — mit großer Ehrfurcht behandelt. In ihrem Kinderzimmer war für höchste Hygiene gesorgt. Die Windeln wurden hygienisch gewaschen, das Futter wurde unter hygienischen Gesichtspunkten zubereitet, jeder, der mit ihnen zu tun hatte oder sie besuchte, trug eine Maske, sie wurden so beschützt und behütet, als wären sie die Erben einer heiligen Dynastie. Dann kam der Tag, als sie für den Inkubator, für den Wäschekorb, für die Spielkiste und schließlich für das Kinderzimmer zu groß geworden waren. Sie wurden also im Triumphzug ins Säugetierhaus gebracht, wo ein Spezialkäfig für sie bereitstand.
Fast augenblicklich wurde Mamfe, der jüngere der beiden, krank. Zunächst zeigte er nur ein wechselndes Interesse an seinem Futter, eine gewisse Lethargie und einen geringen Gewichtsverlust. Als dann noch Durchfall hinzukam, wurde schleunigst Dr. Carter gerufen, unser ortsansässiger Kinderarzt, der die beiden Kleinen seit ihrer Geburt unterseiner Obhut gehabt hatte. Sein erster Befund — der in unserer Kartei vorliegt und in unserem elften Jahresbericht veröffentlicht wurde, lautete:
>Eine Untersuchung bestätigte die Lethargie und den Appetitsverlust. Mamfe zeigte keine Lust, mit Assumbo zu spielen. Die Zunge war belagfrei, wenn auch etwas trocken. Der Hals war frei, und in den Lungen war nichts Unnormales zu entdecken. Eine krankhafte Veränderung an den Lympfdrüsen war nicht festzustellen. Untersuchung der Ohren und des Rachens zeigte keine Anzeichen einer Entzündung und die Urinanalyse, die im Labor vorgenommen wurde, zeigte kein Anzeichen einer Entzündung des Uro-Genitaltrakts. Mamfe wurde mit Lomotil, 2,5 ml dreimal am Tag behandelt. Da sich zeigte, daß er auf die Verabreichung von Lomotil zum Erbrechen neigte, wurde er auf Flüssigkost gesetzt, wie 5prozentige Glukoselösung und verdünnte S.M.A. Milch.<
Doch der Durchfall ließ nicht nach, und als der Laborbericht über die Stuhluntersuchung einging, wies er eine Reinkultur von Kolibakterien aus. Das ist eine unangenehme Infektion, die zum Tod führen kann. Der Laborbericht informierte uns, daß das Bakterium mit Chloramphenicol, Tetracyklin, Streptomycin, Septrin und Neomycin bekämpft werden kann, doch das half uns nicht viel. Es war Samstag nachmittag — warum werden Tiere immer am Wochenende krank? — und es war sehr schwierig, überhaupt ein Antibiotikum zu bekommen. Mamfe erhielt deshalb Oxy-tetracyklin, 125 mg in Sirup alle sechs Stunden. Doch das Mittel wirkte zu
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