Die Tigerin
»Es wird auch Zeit .«
Ich trank den Rest meines
Glases aus und stellte es auf die Bar zurück. »Rufen Sie das Büro des Sheriffs
an«, sagte ich schnell. »Erzählen Sie denen dort, was geschehen ist und sagen
Sie ihnen, sie sollen mit einem Ambulanzwagen hierher aus
kommen. Wenn Sie mit Sheriff Lavers selbst
sprechen, sagen Sie ihm, ich hätte weggehen müssen, aber ich würde ihn sobald
wie möglich anrufen .«
»He!« Ihre Stimme klang
erstickt durch die Falten des über ihr Gesicht gezogenen Pullovers. »Sie werden
doch jetzt nicht davonlaufen und mich hier allein lassen, nach allem, was
geschehen ist ?«
»Sie brauchen sich nicht die
geringsten Sorgen zu machen, Süße«, sagte ich vergnügt. »Nachdem Sie das Büro
des Sheriffs angerufen haben, brauchen Sie nichts weiter zu tun, als dazusitzen
und sich angenehmen Gedanken über Ihren Freund, den Lastwagenfahrer,
hinzugeben. Wenn Sie Langeweile haben, stellen Sie sich vor, Sie zögen ihm
einzeln alle Haare aus der Brust, um sie zu zählen !«
ZWÖLFTES KAPITEL
I ch parkte den Healey auf der
hellbeleuchteten Auffahrt hinter dem glänzenden schwarzen Buick und stieg aus. Die Wassersprenger schwirrten noch immer leise über die weiten
Rasenflächen vor dem Haus, während ich den mit Steinplatten belegten Pfad zur
Haustür entlangging. Dasselbe anmutige Glockenspiel erklang im Hause, als ich
auf den Klingelknopf drückte, und nach kurzem Warten öffnete ich die Tür.
»Lieutenant?« Dr. Thorro schien ehrlich überrascht, mich zu erblicken. Ein
nervöses Zucken bewegte rasch die Partie unterhalb seines rechten Auges, und
dem abgezehrten Aussehen seines Gesichtes nach zu urteilen, hatte er
möglicherweise bittere Tränen über seine ungetreue Geliebte vergossen.
»Ich nehme an, Sie möchten
wissen, was bei Baker geschehen ist, nachdem Sie gegangen waren, Doktor«, sagte
ich. »Meiner Meinung nach haben Sie ein Recht darauf, es zu erfahren .«
»Danke«, sagte er mit tiefer
Stimme. »Wollen Sie nicht hereinkommen ?«
Ich folgte ihm durch das Haus
zur Bar auf der hinteren Terrasse und zündete mir eine Zigarette an, während er
mir ein Glas Whisky eingoß . Er hörte aufmerksam zu,
während ich ihm erzählte, was geschehen war, nachdem ich das Haus verlassen und durch den Zoo gegangen war. Wie jemand den
Panther aus seinem Käfig gelassen hatte, und wie ihm dann Baker nur mit der Peitsche
entgegengetreten war und dabei den Tod gefunden hatte.
»Ein gräßlicher Tod«, sagte Thorro , als ich geendet hatte. »Aber ich
kann nicht einmal sagen, daß es mir leid tut, denn ich empfinde nichts für den
Mann, der Bernice ermordet hat — ja, ich bin sogar froh, daß er tot ist .«
»Ich bin auch froh«, gab ich
zu. »Es hätte mir schlecht bekommen können, wenn die Dinge anders gelaufen
wären .«
»Wie das?« Er legte die Stirn
in neugierige Falten.
»Diese Geschichte vom
Friedhofsuperintendenten, der ihn als den Mörder des Wachmanns identifiziert
hatte, war ganz und gar meine eigene Erfindung .«
»Sie war also nicht wahr ?«
»Nicht ein Wort. Ich brauchte irgend etwas , um ihn unter Druck zu setzen, und wenn es
nicht geklappt hätte, hätte Baker mir gewaltig an den Wagen fahren können .«
»Sie sind ein enormes Risiko
eingegangen, Lieutenant«, sagte er und lächelte trübe. »Ich bewundere Ihren
Mut. Ich fürchte, Sie sind wesentlich gerissener, als ich Sie ursprünglich
eingeschätzt habe .«
»Es gibt da immer noch einige
Dinge, die ich gern wissen würde«, sagte ich mit Bedacht. »Aber Sie brauchen
mir keine Antwort zu geben, wenn Sie nicht wollen. Wie kam es, daß Bernice Kains mit Ihnen und Baker gleichzeitig ein Verhältnis hatte ?«
Sein Gesicht wurde ein wenig
dunkler, und das nervöse Zucken unter dem Auge schien kein Ende zu finden,
während seine langen empfindsamen Finger sinnlose Figuren auf die Theke malten.
»Das ist eine Frage, die ich
mir nach wie vor selber stelle«, sagte er leise. »Die offensichtliche Antwort
darauf ist unerfreulich — nämlich daß ich eine zu wertvolle Investition war, um
einfach aufgegeben zu werden — relativ wohlhabend, erfolgreich und zur Ehe
bereit, sowie der Weg dazu frei war .« Seine Mundwinkel
zogen sich scharf nach unten .» Aber Bernice war ein
Mädchen mit starken und erregbaren Leidenschaften, Lieutenant. Und der lebhafte
Sadismus eines Mannes wie Baker mußte eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf
sie ausüben .«
»Ja«, sagte ich mitfühlend.
Er zuckte gleichgültig die
Schultern.
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