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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Fuchs
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Abschied.
    «Bis übermorgen.» Wir umarmen uns wie Schwestern, die sich nicht ähnlich sehen, aber lange ein Zimmer geteilt haben. Deshalb muss ich meine Schwester nie wiedersehen. Ich habe Ina.

sieben
    Nu ist auch noch Sylvia da. Die Badewanne ist mein bester Freund, besser als Anton, der nie zuhört, weil er selber reden will, und dann fragt er mich was und weil ich nicht gleich antworte, fragt er nie wieder was. Die Badewanne fragt gar nichts. Sie ist warmherzig, großherzig und treu. Die Badewanne im Hotel ist sehr großherzig. Sie ist für zwei Personen, aber es gibt in meiner Familie keine zwei Personen, die zur selben Zeit in einer Badewanne sein wollen. Ich und Sebastian, so viel Schaum können wir gar nicht schlagen, dass wir es aushalten würden, uns nackt so nah zu sein.
    Ich und Linda, das kann ich ihr nicht antun in einer Zeit der Kindesmissbrauchsneurosen. Und soll ich ihr dann sagen, dass sie schön aussieht nackt, oder lieber nicht? Bei dem Gedanken gammelt mir das Herz in Sekunden zu einer überlagerten Birne. Darüber will ich nicht nachdenken. Hat sie schon Schamhaare? Hatte ich mit dreizehn Jahren schon Schamhaare?
    Ich und Sylvia, wir könnten uns auf keine Wassertemperatur einigen, kalt oder eiskalt? Und unsere Brustwarzen werden davon hart. Herr Ober, mehr Schaum!
    Sebastian und Linda, das war einmal, früher mal, davon gibt es süße Fotos. Linda wie ein Kind, mit dem man alles verkaufen kann: Zucker, Shampoo, Tütensuppen. Und Sebastian mit Pusteln um den Mund, weil er an allem herumlutschen musste, wie ein Freudanhänger. Alles in den Mund. Er hatte überall Ekzeme und Kratzer, so ein selbstzerstörerischer Springinsfeld, voller Fragen. Nicht warum, sondern warum nicht? Warum soll ich nicht auf dem Tisch herumturnen, warum soll ich nicht in diesen Tümpel springen? Warum darf ich nicht aus dem Mülleimer essen?
    Und Sylvia und die Kinder? Sylvia findet sich seit Jahren zu dünn, solange ich sie kenne, findet sie sich schon zu dünn, weil ihre Beckenknochen wie eine Friedhofsmauer hoch stehen, wenn sie auf dem Rücken liegt, und weil sie nirgendwo rein kneifen kann, um zu sagen: «Hier, alles Fett!» Sie fühlt sich anders als die anderen Frauen, geradezu ausgeschlossen, weil sie keine Diät braucht. Sie versucht immerzu zuzunehmen und zählt deshalb auch Kalorien. Hereinspaziert in meine Familie, nur hier, die Frau, die sich zu dünn findet! Linda fängt auch schon so an, mit diesem zu-Tick, zu klein, zu schüchtern und vor allem zu jung. All das zählt sie mir auf, während wir frühstücken, Schinken, Rühreier und Selbstzweifel. Guten Appetit.
    «Alt wirst du von alleine», sage ich zu ihr.
    Sie zieht ein Gesicht.
    «Wie alt willst du denn sein?», frage ich.
    «Mindestens fünfzehn», sagt sie. Ich weiß nicht, was sie sich davon verspricht, verdammte fünfzehn zu sein. Mit fünfzehn ist man noch gar nichts. Man hat noch keine eigene Wohnung, keinen Führerschein, keinen guten Sex, kein eigenes Auto. Man hat eigene Geschlechtsorgane, die was wollen, was man noch gar nicht bekommt, und die verflucht drängeln und Nadine Bäuerle schaut einen nicht mit dem Arsch an. Ich musste von dreizehn bis sechzehn immer nach Mathe die Toilette aufsuchen. Nadine Bäuerle hatte den schönsten Hinterkopf, den ich je gesehen habe. Ich streichel Linda über den Kopf. Linda hält still. Ich zerstöre ihre Frisur. Sie hat seit Wochen einen gezackten Scheitel. Das muss irgendwo als Jungsmagnet angepriesen worden sein. Das macht die Boys wild. Wie kann man solche Ratschläge geben und angehenden Männchen so etwas antun? Ich lege ihre Haare wieder richtig, aber sie fährt noch einmal selber drüber, mit einer geübten Geste, mit ihren Fingern als Kammzinken. Sie lächelt, und wir stoßen mit den Brötchen an, wie mit Sektgläsern. Der Rest der Traumfamilie, die mit dem Beil geschieden wurde, liegt noch im Bett und träumt.
    Sylvia ist morgens nicht zu gebrauchen, als Mensch nicht, als Mutter nicht, als Frau nicht, nur als Ex-Frau. Da ist es egal, wie sie aussieht und wie tranig sie dreinschaut.
    Sebastian treibt Urlaubsliebe mit der Barfrau. Seit drei Tagen treibt er nichts anderes, weil Ficken schöner ist als Skifahren. Ich habe das Zimmer mit ihm getauscht, so bin ich. Helfe meinem Hormonsohn gerne, wo ich nur kann, nur beim Einführen würde ich nicht helfen. Das bekommt er alleine hin, bestätigen die dünnen Hotelwände. Gestern bin ich mit Linda Tischfußball spielen gegangen, als das Geruckel nebenan

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