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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Fuchs
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sich herum, weil sie dachten, ich hätte «Buh!» gerufen. Den ganzen Heimweg habe ich gedacht: Ich habe Muh gerufen. Ich habe Muh gerufen. Das war der seltsamste Satz, den ich je gedacht habe. Ich kam mir vor wie eine Kuh, die man fragt, wie ihr Tag so war. Ich habe Muh gerufen. Ursel fand mich peinlich. Ich bin nie wieder ins Theater gegangen. Ich will nicht an Ursel denken.
    Dann kommt Linda, und wir gehen essen. Ich biete ihr den Arm an, zitiere den einen Satz Goethe, den ich weiß, darf ichs wagen und so weiter. Sie hat einen Pullover an, auf dem in Glitzerschrift steht «South Carolina 23». Die kleine Elster.

    Ich warte auf Ina und kucke deshalb aus dem Fenster. Ich habe kein Fenster zur Straße raus, darum kann ich gar nicht sehen, wann Ina kommt. Ich schaue aus dem Fenster, weil ich keinen Fernseher habe, darum. Ich könnte sonst Fernsehen kucken. Ich könnte sonst was machen, es gibt immer was zu machen. Ich stehe am Fenster, stoße mich mit dem Bauch ein Stück vom Fensterbrett ab und wippe wieder zurück, mehrmals. Im Hof gibt es nicht viel zu sehen, sondern wenig. Die Krähen stolzieren umher und drehen das Laub um, weil sie etwas suchen, darum. Ina kommt zu spät. Sie kommt immer zu spät. Ich habe schon den Tisch gedeckt und mir Mühe gegeben. Ina bemerkt so was nicht. Sie hat kein Auge für Schönheit. Sie zieht an, was da ist und isst, was da ist und kommt immer zu spät, weil sie studiert, darum. Mir macht das nichts, weil ich es weiß. Ich schaue aus dem Fenster. Die Mülltonnen stehen noch da, wo die Mülltonnen stehen. Sie sind von jedem Haus aus gleich schnell zu erreichen. Das ist wichtig für Menschen, die viel zu tun haben und ihre Kinder tagsüber zu anderen Menschen geben, die dafür Geld bekommen und weil die auch Geld verdienen müssen, geben sie ihre Kinder wieder zu anderen Menschen. Die Krähen drehen das Laub um. Wenn Schnee liegt, sehen die Krähen noch schöner aus, schwarz auf weiß, Schachmatt, ich bin matt. Peter ist nicht da und hat meine Kraft bei sich. Es ist ein Unterschied, ob ich warte, wann er kommt oder ob ich warte, dass er wieder wiederkommt. Ein bisschen über eine Woche ist er noch weg, und ich halte es keinen Tag länger aus. Ich liebe solche Sätze, ja. Keinen Tag halte ich es mehr aus, nein. Ich weiß nicht mal, wo er ist. Im Schnee. Ich bin hier und sollte da sein, wo er ist oder Ina sollte hier sein. Ina kommt schon über eine Viertelstunde zu spät. Das geht auch in der Universität nicht. Sie würde die wichtigen Buchtipps am Anfang der Vorlesung verpassen und durch die Prüfung fallen. Ich rufe sie auf ihrem Handy an. Ich stehe am Fenster und sehe einen Menschen und ein Auto. Der Mensch hat einen Tannenbaum unterm Arm, und das Auto hat die Bremslichter an und die Krähen drehen das Laub um. Auf dem Hof klingelt es. Ina geht ans Telefon, es rauscht.
    «Ja?», sagt sie. Kein Mensch meldet sich mehr mit seinem Namen, nur ja. Ich sehe Ina in den Hof kommen. Ich öffne schnell das Fenster, ganz weit und rufe runter: «Hallo, Ina!»
    «Hallo, Tanja!»
    «Warum benutzt du denn nicht das Telefon?», schreie ich.
    «Warum benutzt du denn nicht das Telefon?», schreit sie.
    Wir lachen, dann sage ich nochmal in den Hörer, leiser: «Hallo, Ina. Bist du bald da?»
    «Ich bin ganz in der Nähe. Bin gleich da.» Wir winken uns.
    Ich frag mich wirklich, was sie auf dem Hof macht. Sie geht zu den Mülltonnen.
    «Ich bin doch schon auf deinem Hof, kuck doch mal aus dem Fenster.»
    «Mach ich doch schon», schreie ich zu ihr runter und dann wieder ins Telefon «Ich seh dich nicht. Da ist nur ’ne alte Zigeunerin, die im Müll wühlt.» Ina wirft was weg. Ich schließe das Fenster, weil es zu kalt in der Wohnung wird.
    Ina sagt: «Wie, du stehst am Fenster? Ich seh dich nicht. Da ist nur ein kleines Kind, das in der Nase popelt.» Ich popel daraufhin in der Nase, frage mich trotzdem, was Ina weggeworfen hat und frage sie auch.
    «Müll», sagt sie. Wir lachen, ich kann sehen, wie sie lacht, und ich kann es durch das Telefon hören und dann sage ich: «Komm doch mal hoch, Mensch.»
    «Bis gleich!»
    Ich drücke so lange auf den Türsummer, bis Ina oben ist. Sie zieht ihre Mütze vom Kopf und schreit: «Tada!» Ihre Haare sind schwarz gefärbt.
    «Chic!», sage ich. «Du siehst aus wie die Krähen im Hof.» Ich setze neues Wasser auf, und bis es fertig ist, sehe ich Ina zu, wie sie ihre Stiefel auszieht. Es sind neue Stiefel, bis kurz unters Knie. Ich würde nie solche Stiefel

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