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Die Titanic und Herr Berg

Die Titanic und Herr Berg

Titel: Die Titanic und Herr Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Fuchs
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vor Geilheit auf behaarten Männerrücken, halte ich für ein Gerücht, ist mir noch nicht passiert. Vielleicht sind das Frauen, die denken, dass Männer sie umflattern wie Motten das Licht und wenn die dann verbrennen, dann kümmert das nicht. Solche Frauen kann ich nicht ab. Die wollen Diamanten zum Frühstück und wühlen danach in der Scheiße nach dem Klunker.
    Jürgen schwafelt irgendwas. Ich kann mir nicht mal vorstellen, dass Jürgen schon mal eine Frau gestreichelt hat. Ich kann mir vorstellen, dass Jürgen als Kind mit dem Katapult auf Mäuse geschossen hat oder dass er bei jedem ehelichen Streit denkt, seine Olle hätte Erdbeerwoche. Meine Olle, sagt er. Hiermit erkläre ich Sie zu Olle und Oller, Sie dürfen die Olle jetzt küssen. Irgendwer sollte Jürgen sagen, dass Frauen nur fünf Tage im Monat bluten und dass seine Frau regelmäßig zickt, weil er ein Pisser ist. Irgendwer sollte Jürgen an einen Stuhl binden, ihm die Bibel vorlesen und dann erschießen. Ich fand den Film Pulp Fiction gut. Irgendwer müsste mal mit Jürgen reden. Aber nicht ich. Never! Ich wüsste gar nicht, wo anfangen und wo aufhören. Jürgen müsste nochmal auf die Menschenschule, alles ganz von vorne. So wie ich.
    «Frei hatta der Racker!», sagt Jürgen.
    «Ja!», sage ich.
    «Gibts was zu feiern?»
    «Ja!»
    «Muss ja mal sein, oder?»
    «Ja!»
    Ich kippe meine Cola und stehe auf. Frau Kobow will mir unbedingt die Hand geben. Daraufhin wollen mir alle die Hand geben. Jürgen ruft mir hinterher: «Na, dann feier schön, darum heißt das ja Feierabend, ist doch so!»
    So isses, du Pisser, du kannst mal ganz tief in meine Analen eingehen. Ich fühle, wie ich aus dem Jürgendunstkreis trete, wie die Luft klarer wird. Ich wünsche ihm die Pest an den Hals, die Pest und Aids und dass er eines Morgens aufwacht und schwarz ist, damit würde er gar nicht klar kommen.
    Ich kaufe Blumen in dem Blumenladen gegenüber vom Amt. Warum gegenüber vom Sozialamt ein Blumenladen ist, habe ich nie verstanden. Weil das Sozialamt so was wie ein Friedhof ist oder ein Krankenhaus oder ein Bahnhof?
    Ich lege den Strauß auf den Rücksitz und schalte das Radio an. Mir ist gerade nicht nach dem Schlechtesten aus den 60ern, 70ern und 80ern, nur um meinen Verdacht zu bestätigen, dass alles schon immer Hölle, Hölle, Hölle war. Alles nur Scheiße, die als Schokolade verfilmt wird. Hollywood diese Traumatafabrik. Ich stelle Klassikradio ein. Ich atme kurz durch, voll Yoga, und dann bin ich so weit: Ich fahre zu Ulrike.
    Ulrike ist meine längste schlecht-gepflegte Freundschaft. Wir sind tatsächlich zusammen zur Schule gegangen. Wir waren sogar mal ein Paar, wie Pech und Schwefel, oder nur wie Pech. Sie war meine viel zu späte erste Liebe. Vorher wollte mich keine und dann wollte mich Ulrike. Wir haben ein ganzes Jahr über falsch betonte Wörter gestritten. Mann, waren wir jung. Ich habe mir von ihr einreden lassen, dass wir gehörig zusammen gehören, na gut, und als ich das akzeptiert hatte, fand sie, dass sie sich geirrt hatte, sorry du. Danach habe ich mir nichts mehr so leicht einreden lassen. Es gibt einfach keinen Fachmann, der weiß, was in mir vorgeht und mir deshalb was einreden könnte. Anton kommt damit klar, alle anderen auch. Ulrike ist die Einzige, die trotzdem immer wieder versucht, mir meine geöffneten Augen zu öffnen. Wir halten Kontakt, Freundschaft stelle ich mir anders vor. Ich höre Ulrike zu, dafür erzählt sie mir alles. Ich belaste sie nicht mit meinen Problemen, dafür fragt sie auch nicht danach. Das ist beidseitig einseitig.
    Ich fahre zu Ulrikes Hochzeitsfeier, auch kein Satz, mit dem ich mal gerechnet hätte. Ich habe mich totgelacht, als sie gestern angerufen hat, um mir zu sagen, sie wäre verheiratet. Darum ist mir jetzt auch so kalt – ich bin tot –, also stelle ich die Heizung höher. Ich nehme die Stadtautobahn nach Charlottenburg und drehe das Radio lauter. Es kommt wildes, optimistisches Gefiedel, muss Mozart sein. Ich freue mich für Ulrike, kaum aus der Klapse und schon verheiratet. Ich frage mich, wo sie den Mann her hat. Wo findet man einen Bräutigam, wenn man im Gagaheim sitzt und bunte Pillen unter der Zunge versteckt? Ist er auch schischi oder ist er Arzt? Wird am Ende alles gut, so wie im Märchen? Die böse Hexe Geisteskrankheit ist tot? Letztes Jahr ist Ulrike nach Tibet gefahren, um dort etwas zu finden, was sie suchen könnte. Sie war davor in Behandlung und danach in Behandlung, geschlossne,

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