Die Tochter Der Goldzeit
vor dir verlieren. Ist es wahr, dass du der Frau deines Ersten Gardisten Taydal nach dem Leben trachtest, um ihn für dich allein zu haben?«
Torya hasste es, von Gulwyon gemaßregelt zu werden. »Ich bin die Königin!«, zischte sie. »Ich tue, was ich will!«
Zwölf Winter waren vergangen seit ihrer Bluttaufe. Zwölf Winter, in denen sie ihre Stellung als Königin von Albridan gefestigt hatte. Sie hatte ein neues Armenviertel errichtet, eine Kriegsflotte gebaut und mit Eroberungszügen den Ruhm und Reichtum Albridans vermehrt. Was wollte das Volk mehr? Einen Thronfolger wollte es? Narren!
»Ein Bote Olfarkans war bei mir«, sagte der Magier. »Mit guten Nachrichten: Olfarkan ist entschlossen, sein Weib zu entlassen, um dich zu ehelichen. Nach dem nächsten Vollmond wird er selbst nach Albodon kommen, um deine Antwort zu hören.«
Torya winkte angewidert ab. »Olfarkan ist ein geiler Greis. Sorge dafür, dass er mich endlich in Frieden lässt.«
»Olfarkan ist dein mächtigster Thronritter! Sein Angebot kommt zu einem Zeitpunkt, der nicht günstiger sein könnte.«
»Warum sollte der Zeitpunkt für ein lästiges Angebot günstiger sein als andere Zeitpunkte?« Torya machte ein trotziges Gesicht.
»Es ist ein Heiratsantrag, Torya. Und nenne ihn nicht lästig!«
»Mir ist er lästig, Meister Gulwyon.«
»Und ich nenne ihn mutig. Wer in Albridan würde es wagen, um die Hand einer Frau anzuhalten, von der man munkelt, sie habe ihren eigenen Bruder getötet? Nur ein mutiger Mann.«
Der Magier stemmte seinen knochigen Körper von den Stufen und kam zu ihr. Er bewegte sich wie einer, der Stunden harter Arbeit hinter sich hatte. Vor Torya blieb er stehen und blickte auf sie herab.
»Vorhin, als die Sonne gesunken war, begab ich mich auf Reisen.« Er deutete hinauf zum Dachpavillon. »Eben erst kehrte ich zurück. In den Finsterwelten habe ich die Stimmen derer vernommen, die mehr wissen als du und ich.«
Torya blickte in das alte, gelbliche Gesicht. Gulwyons graue Augen waren rot gerändert. Er sah erschöpft aus. Und wie so oft, wenn er von seinen Reisen in die Finsterwelt zurückkehrte und die Wirkung seiner Pilze nachließ, bebten seine Lippen und zitterten seine Hände. Seine Finger waren schwarz von Asche und Ruß.
Die Königin fröstelte. »Und?« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Was haben sie gesagt?« Ihre Stimme war plötzlich brüchig.
»Fremde sind von weit her über das Westmeer gesegelt und haben große Teile des Südlandes erobert. Sie sind gefährlich.«
»Ich verfüge über eine starke Flotte und ein kampferprobtes Heer. Vor wem sollte Albridan sich fürchten?«
»In der Finsterwelt hörte ich heute, dass diese Fremden den Goldzeitschatz suchen. Wer ihn besitzt, besitzt den Schlüssel zur Macht über die Völker der Erde. Wenn diese Fremden ihn finden, dann muss Albridan sich fürchten.«
»Kommen wir ihnen zuvor!« Torya sprang auf. »Senden wir Kundschafter aus, um mehr über diese Fremden und den Schatz zu erfahren!«
»Die in der Finsterwelt wissen, dass du nicht allein um den Goldzeitschatz kämpfen kannst.«
»Was soll das heißen?« Torya runzelte die Stirn.
»Einer wird aufstehen, um dich als Frau zu gewinnen, noch vor der nächsten Wintersonnwende. Und du darfst dich ihm nicht entziehen, wenn du die Herrschaft deiner Sippe über die nächste Generation hinaus sichern willst. Es ist kein Zufall, dass Olfarkan ausgerechnet heute .«
»Ich will nichts davon hören!«
Draußen begann wieder der Canide zu kläffen. Torya wandte sich ab und starrte in die Nacht hinaus. An einen Mann sollte sie sich binden? Alles in ihr sträubte sich gegen die Vorstellung.
»Du brauchst einen wie Olfarkan«, sagte der Magier ruhig.
»Nein!« Sie fuhr herum. »Eher hole ich mir einen Bauernlümmel aus der Provinz in den Palast.«
»Du plapperst daher wie ein trotziges Kind!« Gulwyon machte eine wegwerfende Handbewegung. »Bist du irgendein Weib aus der Gosse, oder bist du die Königin von Albridan?« Er wandte sich ab und schlurfte zurück zur Treppe. »Du wirst dich nicht gegen die Mächte des Schicksals auflehnen!« Der Magier ließ sich in seinen Sessel neben dem Lesetisch fallen, Staub stieg auf.
»Ich mag ihn nicht«, sagte Torya leise. »Nicht als Mann.«
»Du bist eine Königin! Du wirst deine Abneigung überwinden. Hast du es je bereut, auf mich gehört zu haben? Es gibt für dich keinen Besseren als Olfarkan! Oder willst du etwa den wilden Walliser? Auch der ist nicht
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