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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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trachten, haben der Wildnis den Rücken gekehrt. Pack nun deine Sachen.«
    Eine Wasserflasche und mehrere Früchte lagen schon im Rucksack. Bosco legte seine Mundharmonika dazu, seinen Dolch, die sieben verbliebenen Silbermünzen und den Spruch Dashirins an Alphatar. Die Weißblonde half ihm in den Federmantel und band ihm eine schwarze Augenklappe über die leere Augenhöhle.
    Draußen wartete die Andere. Oder der Andere? Bosco war nicht sicher, ob es ein Mann oder eine Frau war. Auch ihr oder sein Alter erschien ihm unbestimmbar.
    Sieben Tage lang wanderten sie zu dritt durch die Hügelwälder nach Westen. Das Herz wurde ihm schwer, als sie die Gegend um Tikanum verließen. Die Gewissheit, nie wieder zurückzukehren, nahm ihn gefangen wie ein plötzlicher Schmerz.
    Irgendwann sahen sie von weitem das Meer. Bosco blieb stehen. »Ich habe Angst.«
    »Wir werden keinen Wildsaujägern begegnen«, sagte die Eine.
    »Und selbst wenn«, sagte die Andere. »Wer sollte in diesem bärtigen, einäugigen Kahlkopf den jungen Vagabunden aus Chiklyo erkennen?«
    Bosco fragte nicht, woher sie Chiklyo kannten und den, der er einmal gewesen war. Er stellte auch keine Fragen, als sie an einem kleinen Hafen auf einen Zweimaster deuteten. »Wenn du an der Südküste Dalusias gelandet bist, frage dich durch bis nach Olmerid.«
    Er tat einfach, was sie sagten - ging an Bord und zahlte mit einer Silbermünze für die Fahrt nach Dalusia. Als das Schiff in See stach, stand er am Heck und blickte zurück. Das weiße Paar war nirgendwo mehr zu sehen.
    Neun Tage später ging er an der Südküste Dalusias von Bord, und drei Tage danach sah er die Mauern der Stadt, die sie ihm genannt hatten: Olmerid.
    Rauchsäulen standen über den Dächern; nicht von Feuerstellen oder Kaminen, sondern von Brandherden. Als Bosco sich näherte, sah er Flammen aus einigen Häusern lodern. An zwei Stellen war die Stadtmauer durchbrochen. Aus allen Himmelsrichtungen eilten Frauen, Männer und Kinder in die Stadt, offensichtlich Menschen, die zuvor aus ihr geflüchtet waren. Als er durch das offene Tor auf eine breite Straße trat, sah Bosco Tote in ihrem Blut liegen. Weinende Frauen knieten bei ihnen und rauften sich die Haare. Kein Zweifel: Ein Kriegsheer hatte Olmerid verwüstet.
    Bosco dachte an Tikanum, und die Trauer machte ihm das Atmen schwer. An rauchenden Ruinen vorbei und über Plätze voller Trümmer ging er tiefer in die Stadt hinein. Nichts Schönes sah er, nur Spuren von Gewalt. Und an diesem Ort der Zerstörung sollte Tarsina auf ihn warten? Ungläubig blickte er sich um.
    Krieger zerrten einen fettleibigen Mann aus einem Haus. Bosco folgte ihnen bis zum Marktplatz in der Mitte der Stadt. Auch dort herrschten nur Tod und Verwüstung: Bosco sah umgestürzte Marktstände und Leichen zwischen Brettern und zerschlagenen Tischen. Am Rand des Platzes stand ein großes Gebäude - das Haus der Ratsversammlung, wie Bosco aus dem Getuschel um ihn herum erfuhr. Die Fenster waren zerbrochen, die Fensterrahmen rußgeschwärzt, das Eingangsportal sah aus, als wäre jemand hindurchgestürmt, ohne es zuvor zu öffnen. Gesplittertes Holz ragte in den Türrahmen.
    »Das muss ein Riese gewesen sein«, hörte Bosco hinter sich einen Mann flüstern, und ein anderer antwortete: »Das war ein Riese.«
    Er horchte auf.
    Die Krieger zerrten den Dicken zum Brunnen vor dem Ratsgebäude. Dem Palaver der Leute entnahm Bosco, dass der Mann der Ratsälteste von Olmerid war. Er flehte die Krieger um Gnade an, rechtfertigte sich für etwas, das Bosco nicht genau verstand. »Das kannst du dem Fürsten erzählen!«, antworteten sie ihm barsch. Sie sprachen einen in Dalusia weit verbreiteten Dialekt.
    Schlagartig begriff Bosco, welchen Fürsten sie meinten - und da entdeckte er den Zwerg mit den Augengläsern auch schon: Er stand mit seinem grauen Ritter vor dem Brunnen. Dessen Visier war geschlossen. Der lange Knauf seiner schweren Klinge ragte aus der Rückenscheide heraus.
    Vor dem Fürsten und seinem Kriegsmeister stießen die Krieger den Ratsältesten zu Boden.
    »Es geschah wegen der Maulwürfe, die hierher geflohen waren«, keuchte er. »Ihretwegen brennt Olmerid ...«
    Bosco glaubte, den Boden unter seinen Füßen schwanken zu fühlen. Er drängte sich näher heran an den Zwerg, den Kriegsmeister und den bedauernswerten Mann.
    »Warum hast du sie Betavar nicht ausgeliefert?« Hinter den dicken Augengläsern wirkten Nadolphers Augen groß und starr wie die eines alten Karpfens.

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