Die Tochter Der Goldzeit
schluchzte.
Jacub beobachtete es misstrauisch.
»Du hier?«, fragte ihn der große Alte in dem schwarzen Mantel, als er ihn zu sich aufs Schiff gezogen hatte. Sein Pelz war zerschlissen und schmutzig, seine grauen Zöpfe von Salz verkrustet. Er wirkte erschöpft.
»Das Gleiche könnte ich dich fragen.« Jacub kniete zwischen den Ruderbänken und legte sein Bündel und seinen Schild ab.
»Du trägst meinen Ring nicht mehr?« Roscar sah auf Jacubs Hände herab. Merkur schwang sich von seiner Schulter und flatterte zu Katanja aufs Nachbarschiff.
»Er ist mir gestohlen worden ... Wie kommt es, dass ich dich hier am Ende der Welt treffe?«
»Ich habe mich dem Heer des Eisernen angeschlossen, vor zehn Wintern schon. Noch nicht lange her, dass ich seine bösen Absichten durchschaute. Seitdem bin ich sein Gefangener. Doch gestern, während des Seebebens, konnte ich fliehen.« Er zog Jacub zu sich hoch und umarmte ihn.
»Ans andere Ufer hinüber, schnell!«, rief Katanja vom anderen Schiff. »Der Eiserne und eine Rotte seiner Krieger nähern sich schon von Westen!«
»Es gibt da eine Flussmündung!«, rief der Göttersprecher. »Eine halbe Stunde von hier!« Svervagos brüllte einen Befehl, und die drei Einmaster nahmen Kurs auf das andere Ufer der schmalen Bucht.
Kapitel 8
Die Sonne ging unter, Dämmerung fiel auf den Fjord. Bosco lehnte an der Bugreling der Bryta und spielte ein Abendlied auf seiner Mundharmonika. Die Wachen im Ruderhaus, auf dem Heckkastell und im Ausguck lauschten der einfachen, ruhigen Melodie. Sie verriet ihnen nichts von den Sorgen und Ängsten, die den Mundharmonikaspieler quälten.
Fünf Schiffe waren am Morgen zum Großen See aufgebrochen. Mit mehr als vierhundert kampferprobten Männern wollte der Kriegsmeister Catavar Altbergen erobern. Der kleine, einäugige Kahlkopf an der Bugreling der Bryta, des Flaggschiffs der Königin, fürchtete sehr um die Sozietät am Großen See.
Die Nacht brach an, überall auf den Schiffen flammten Lichter auf. Am Strand lärmten Wildsaujäger aus Apenya. Sie entzündeten ein Feuer, um einen Alker zu braten. Leise Schritte näherten sich Bosco. Er setzte die Mundharmonika ab und sah hinter sich: Toryas alte Kammerdienerin winkte ihn zu sich. »Sie wartet auf dich«, flüsterte sie. Bosco folgte ihr ins Zwischendeck hinab bis zur Kajüte der Königin. Die Greisin kündigte ihn an, schob ihn hinein und schloss die Tür hinter ihm.
Torya lehnte in einem Sessel. »Setz dich.« Mit einer Kopfbewegung deutete sie auf einen Stuhl neben einem runden Tisch.
Bosco nahm Platz.
»Anders als du bin ich sicher, dass der Goldzeitschatz existiert«, kam sie sofort zur Sache. »Sonst jedoch stimme ich mit dir überein: Er darf nicht in falsche Hände fallen.« Sie stand auf, schenkte Wein ein und brachte ihm den Kelch. »Nicht in die Hände dieses gefährlichen Weibes aus Altbergen, zum Beispiel. Und ob er in den Händen des schwarzen Eisenkerls und der Jusarikaner gut aufgehoben wäre, kann man nicht wissen. Ist es nicht so, Ginolu?«
»Es spricht einiges dafür, dass es so ist, Königin Torya.«
Sie setzte sich zu ihm und schob ihm den Weinkelch hin. »Trink, Ginolu.«
»Ich habe ein Gelübde getan«, log Bosco. »Erst wenn ich die Lichterburg gesehen habe, werde ich wieder Rauschgetränke anrühren.«
»Glaubst du also doch an den Goldzeitschatz!«, entfuhr es ihr. Sie beugte sich zu ihm, berührte seine Hand. »Beherrschst du auch die Sprache dieses Weibes aus Altbergen?«, fragte sie leise.
»Ich denke schon.«
»Nadolpher erwartet von uns, dass wir eine Kriegsschar in die Meeresenge an die Ostküste dieser Insel bringen, damit sie diesem Weib aus Altbergen den Fluchtweg aufs Nordland abschneidet. Das werden wir auch tun, doch ich will, dass du diese Kriegsschar befehligst, Ginolu.«
»Nadolpher hat einen seiner Rotmäntel als Anführer bestimmt.«
»Sei der heimliche Anführer unserer Krieger.«
»Was wäre meine Aufgabe?«
»Lass dir kein Wort entgehen, das der Rotmantel aus diesem Weib herausprügelt, falls ihr sie einfangt.« Torya schlug einen beschwörenden Ton an. »Es darf nicht geschehen, dass die aus Jusarika den Weg zur Lichterburg erfahren und für sich behalten.« Sie flüsterte. »Vor allem aber sorge dafür, dass der Mann, der sie begleitet, nicht getötet wird. Ich will ihn lebend. Hörst du?«
Bosco nickte. Der leidenschaftliche Hass und die Feindseligkeit der blonden Frau schlugen ihm mit solch eindringlicher Kraft entgegen, dass er
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