Die Tochter Der Goldzeit
sein Inneres Augenohr verschließen musste. »Wer ist dieser Mann?«, fragte er.
»Ein Mörder.« Toryas Stimme klang plötzlich hart und kalt. »Er hat den Sohn des Fürsten von Eyrun getötet. Mein Thronritter Walliser fing ihn ein. Er saß bereits in meinem Kerker, um nach Eyrun ausgeliefert zu werden. Albridan und Eyrun sind nicht gerade Verbündete, musst du wissen. Ich brauche diesen Mörder für meine Verhandlungen mit der Nachbarinsel. Und wir brauchen ihn, um den Weg zur Lichterburg zu finden - vor diesem schwarzen Riesen und seinem kurzsichtigen Zwerg! Diese Hexe aus Altbergen hat ihm sicher längst den Weg zur Lichterburg verraten. Wenn wir ihn zum Reden bringen, gehört uns auch der Schatz.«
»Ich verstehe .« Aus irgendeinem Grund hasste sie Katanja von Altbergen. Doch was die Königin da plante, machte sie zu seiner natürlichen Verbündeten. »Ein gefährlicher Plan«, sagte Bosco vorsichtig; er vermied es, von Verrat zu sprechen, aber genau das war es, was sie betrieb: Verrat an Nadolpher und dem Eisernen. »Wie muss ein Schatz beschaffen sein, damit es sich lohnt, die Feindschaft Nadolphers und des Eisernen zu riskieren?«
»Er verschafft seinem Besitzer die Macht über den Erdkreis. Ich glaube, dass es eine mächtige Waffe ist, mächtiger noch als jene, die vorgestern in einem einzigen Augenblick den Dreimaster der Tiefländer in Flammen gesetzt hat.« Die Königin ergriff seine Hand »Wir werden es erfahren«, seufzte sie. »Doch dazu müssen wir erst das verfluchte Weib und den Rotschopf einfangen. Und zwar bevor Catavar aus Altbergen zurückkehrt!« Sie sah ihm ins Auge. »Und wenn ich den Schatz besitze und die Königin des Erdkreises bin, dann werde ich dich reich belohnen, Ginolu!«
Bosco nickte. Er musste an das Gespräch mit Tarsina an der Zeitfuge denken: Diese Leute werden die Welt ein zweites Mal zugrunde richten, hatte sie damals gesagt. Inzwischen hatte er den Untergang Tikanums erlebt, war Nadolpher und Catavar begegnet, hatte Menschen wie dieser Königin in den Geist geschaut - inzwischen verstand er, was Tarsina gemeint hatte.
»Du hast recht, Königin Torya«, sagte er. »Wir sollten zusammenhalten. Ich werde tun, was du sagst.«
Später lag er schlaflos in seiner Koje. Ahnte man in Altbergen nicht längst die drohende Gefahr? Der abgefangene Brief war sicher nicht der erste, den Katanja geschickt hatte; musste man das nicht aus ihren Zeilen folgern? Und selbst wenn sie in der Sozietät am Großen See ahnungslos sein sollten - wog der Auftrag jener Frau, von der Bosco nur den Namen kannte, nicht schwerer als die Existenz einer ganzen Sozietät? Musste eine zweite Goldzeit nicht um jeden Preis verhindert werden? Rechtfertigte dieses Ziel nicht auch einen einsamen und mörderischen Kampf, wie er ihn führte?
Der Einäugige aus Tikanum erschrak vor seinen eigenen Gedanken.
Im Morgengrauen schlief er ein. Im Traum sah er die beiden weißen Vögel. Sie kreisten über einem verwachsenen Gnom. »Wir fliegen nach Altbergen«, verkündete einer der Weißen. »Dort rufen sie uns.«
»Bringe das Täubchen doch nicht allein zur Lichterburg durch!«, beschwerte sich der Gnom. »Müsst mir helfen!«
»Ginolu wird dir helfen!«, rief der zweite Vogel; er sprach mit der Stimme seiner Mutter.
Bosco wachte auf und wusste, was er zu tun hatte.
Kapitel 9
Möwen hockten in den Kronen der vom Wind gebogenen Kiefern, Möwen hockten darunter im sandigen Waldboden. Gleich als Katanja am nächsten Tag erwachte, fielen ihr die Vögel auf. Die am Boden flatterten erst davon, als Yiou fauchend unter sie sprang.
Den ganzen Tag über, während sie nach Osten marschierten, flogen Möwen in ihrer Nähe - manchmal direkt über ihnen, manchmal ein Stück hinter ihnen, manchmal ein Dutzend, manchmal nur zwei. Einige der knapp zwanzig Nordmänner schossen Pfeile auf sie ab, trafen aber nie. »Es sind Möwen des Eisernen«, sagte Katanja am zweiten Abend ihrer Flucht von der Westküste der Insel.
»Vögel sind keine Caniden.« Jacub glaubte es nicht. »Wie sollten sie Witterung aufnehmen können?«
»Sie flogen die ganze Zeit mit uns.« Der dreiäugige Svervagos spähte missmutig in den Abendhimmel. »Schon als wir aus dem Nordsund in die Bucht einbogen, habe ich sie gesehen.« Die Nordmänner hatten ihre kleinen Segler in einer kleinen Flussmündung geankert und mit Gestrüpp getarnt. Genau wie Jacub und Katanja fürchteten sie den Eisernen.
In den Wirren des plötzlichen Seesturms und der
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