Die Tochter Der Goldzeit
richtete der riesenhafte Eisenmensch sich in den Flammen auf. Jacub rannte los, blickte voller Angst zurück - der kopflose, brennende Titan kam wieder auf die Beine. Er wankte, er drehte sich um sich selbst, marschierte ein paar Schritte in den Gang hinein - bis seine Knie knarrend einknickten und er nach vorn kippte und bäuchlings auf dem staubigen Steinboden aufschlug. Dort zuckte er, schlug ziellos um sich, wand sich und bäumte sich auf.
Jacub packte die Streitaxt, drückte die Rußscherbe an die Augen und lief zu dem schwarzen, brennenden Körper. Schreiend schlug er auf ihn ein, schlug ihn in Stücke und hörte erst auf zu schlagen und zu schreien, als er Hitze, Rauch und Brandgestank nicht mehr ertrug. Er taumelte gegen die Wand, alles drehte sich, alles schwankte. Voller Abscheu starrte er auf den zerschlagenen, brennenden Körper. Nirgendwo Blut, nur gleißendes Licht, Röhren, Eisen und Fleisch. Er wandte sich ab, kämpfte den Brechreiz nieder, tastete sich an der Wand entlang den Weg zurück, den er gekommen war. Schwer atmend stieg er die Treppe hinauf und trat oben durch die Lukenöffnung, durch die der Eiserne eine Stunde zuvor in sein Versteck eingedrungen war.
Dahinter wölbte sich ein großer Kuppelsaal - der Saal der Unsterblichkeit. Auf Steinsockeln verliefen gusseiserne Rohrleitungen quer durch den großen Raum und mündeten in ein trübes gläsernes Portal. Ein Geflecht aus Rohren und silbrigen Stangen rahmte das Portal ein, blau-violettes Licht strahlte aus ihm in den Raum hinein. Jacub überwand das heftige Verlangen, diesen Ort sofort zu verlassen, so schnell wie möglich wieder hinauf zur Erdoberfläche zu klettern. Er stieß sich von der Wand ab und wankte dem Portal entgegen.
Nur wenige Schritte davor erhob sich ein Tisch, der Jacub an den Altar im Tempel der Großen Mutter von Casteyrunia erinnerte. Die gusseisernen Rohre führten unter ihm hindurch. Kleinere, von Grünspan bedeckte Rohre zweigten von ihnen ab und verschwanden im knöchelhohen Staub des Bodens.
Am Altartisch stand die schwarze Gestalt des kleinen Eisenmenschen, der sich Alphatar nannte. Er machte sich an einer bleiernen Truhe zu schaffen, kaum größer als die Faust eines kräftigen Mannes. Jacub ging zu ihm, und eine Einsicht beschlich ihn, die ihm Schwindel verursachte: Wenn dieser düstere Ort hier die Lichterburg war, dann konnte der hinkende Eisenmensch dort doch niemand anderes sein als eben jener Alphatar, von dem im heiligen Buch Dashirins die Rede war. Und Dashirin selbst? Sollte er etwa hier wohnen? In diesem Staub? In diesem blauen Geflimmer? In diesem gespenstischen Halbdunkel? Fröstelnd blickte Jacub sich um.
Das Glasportal zog seine Aufmerksamkeit magisch an. Es war gar kein Glasportal - es war die leicht nach außen gewölbte Glaswand von etwas, das aussah wie ein in die Wand eingelassenes Fass. Blauweiß und violett schillernde Flüssigkeit füllte das halb durchsichtige Fass, und in der Flüssigkeit schwamm etwas. Ein Fisch? Jacub konnte nicht genau erkennen, was da schwamm. Ihn schauderte.
Er konzentrierte sich auf den Eisenmenschen. Der war im Begriff, etwas aus der Bleitruhe zu nehmen.
»Ist das der Goldzeitschatz?«, fragte Jacub. Er trat an den Altar und zog die Truhe zu sich. Ein langer blauer Kristall lag darin, nicht größer als die Hand eines Kindes. Er hob ihn heraus. Zwei goldene Metallstifte ragten aus seiner unteren, schmalen Seite. »Das ist der Goldzeitschatz?« Jacub konnte es nicht glauben.
»Wir können ihn dir nicht geben«, schnarrte Alphatar. »Noch nicht.« Hinter seinen Sehschlitzen flackerte blaues Feuer. Er streckte die Eisenhand aus. »Gib ihn zurück! Erst müssen wir wissen, ob du einer unserer treuen Diener bist.« Uralt klang seine Stimme jetzt.
»Das bin ich«, sagte Jacub. Den Kristall in den Händen, trat er ins blau-violette Licht, das von dem Glasfass ausging, und betrachtete ihn. Sein Inneres schien zu leuchten. »Natürlich bin ich das ...« Er konnte nicht fassen, dass so viele Menschen hinter diesem Ding her jagten, dass so viele Menschen ihr Leben wegen dieses Dinges gewagt und gelassen hatten.
»Wir erwarten in Kürze den Kommander von Jusarika«, krähte die blecherne Stimme. »Er heißt Nadolpher, und der mächtige Prim-kommander von Jusarika hat ihn mit Betavar über den Ozean geschickt. Er muss uns bestätigen, dass du ein treuer Diener Dashirins bist. Bist du es, gebührt auch dir das Erbe der Goldzeit. Haben unsere Bücherboten dir den Weg
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