Die Tochter Der Goldzeit
drückte das verrußte Glas gegen die Augen, packte die Axt des Eisernen und zerschlug dem Eisenmenschen den Schädel und den Brustkorb.
Grell-violettes Licht sprühte nach allen Seiten, blechernes Geschrei verebbte in einem Geräusch, das klang, als würde jemand gespannte Drähte zerreißen. Der Boden, die Wand und der Steintisch fingen Feuer. Mitten in den Flammen sah Jacub metallene Rippen glühen und ein menschliches Herz in einer halb durchsichtigen Brust schlagen und Blasen werfen. Dann wurde es dunkel im Saal der Unsterblichkeit. Nur die Flammen und das Licht aus dem blauen Schrein erhellten den Raum vor dem Altartisch.
»Bist du der Tyrann?« Jacub wandte sich dem Hirnding hinter der bauchigen Wand zu. »Bist du der letzte Tyrann der Goldzeit?«
Das Hirn in der leuchtenden Flüssigkeit pulsierte, schien zu schwellen.
»Bist du der Tyrann, der die Sonnen vom Himmel stürzen ließ?« Jacub schrie. »Sprich endlich! Bist du der Tyrann, der die Götternacht heraufbeschwor?« Mit der Axt schlug er gegen die bauchige Wand, doch sie hielt stand. »Du würdest es wieder tun! Wieder und wieder!« Schreiend hob der Mann aus Eyrun den Kristall über den Kopf. Mit aller Macht schleuderte er ihn auf den Boden. Er zerbrach in tausend Stücke.
Jacub riss die Bleitruhe aus den Flammen auf dem Tisch, schlug mit ihr auf die Bruchstücke ein, zermalmte sie, bis sie sich mit dem Staub vermischten. Die wenigen übriggebliebenen kleinen Splitter schob er mit den Händen zusammen und ließ sie mit dem Staub in die Bleitruhe rieseln. Die Goldfassung mit den beiden Stiften steckte er in die Manteltasche.
Er stand auf, sah sich um. Rauch quoll bereits durch die LukenÖffnung aus dem Untergeschoss. In den Flammen vor dem Altar krümmte sich die Leiche des Eisenmenschen Alphatar. Jacub stürmte aus dem Saal. Im Gang war es dunkel, nirgendwo schien mehr ein Licht - an den Glaswänden entlang tastete er sich aus dem Ort des Schreckens hinaus.
Kapitel 30
Vorbei. Katanja kauerte hinter der Mittelstange des kleinen Zeltes, umschlang ihre angezogenen Knie und versuchte, ihr Zittern zu unterdrücken - es gelang ihr nicht. Es war vorbei - mit schmerzhafter Klarheit wusste sie es. Vor dem Zelt stand eine Frau, die sie hasste, eine Frau, die ihren Tod wollte. Katanja fürchtete den Augenblick, in dem diese Frau das Zelt betreten würde, um weiter zu prügeln, zu treten und zu schreien.
Sie legte die Stirn auf die Knie, versuchte klare Gedanken zu fassen. Draußen brach die Abenddämmerung herein; es wurde düster im Zelt. Die beiden Männer vor dem Zelteingang plauderten, machten sich über den kleinen einäugigen Kahlkopf lustig.
Bosco - warum war er hier? Müsste er nicht bei Jacub sein? Katanja richtete sich wieder auf - das Erbe der Goldzeit! Wenn Jacub es nicht bis in die Lichterburg geschafft hatte, wenn er nicht den Goldzeitschatz fand, dann war alles verloren; dann war Janner für nichts gestorben, dann hatte sie vergeblich den Keller des Sklavenhändlers ertragen, vergeblich im Pfahldorf ausgeharrt, dann war der ganze weite Weg umsonst gewesen.
Jacub und Bosco - an beiden Männern hing jetzt ihre letzte Hoffnung. Sie schloss die Lider, beschwor ihre Gesichter und Gestalten vor ihr inneres Auge und versuchte, ihnen kraftvolle Gedanken zu senden. Doch eine Flut feindseliger Gefühle brandete mit solch unerwarteter Gewalt in ihren Geist, dass sie zusammenzuckte vor jähem Entsetzen. Sie lenkte ihre Gedanken auf die Meisterin, konzentrierte sich auf Grittanas ruhige Stimme, auf ihre gütigen, entschlossenen Züge, um nicht unterzugehen in dem Strudel aus Mordlust, Bitterkeit und Hass, der irgendwo draußen vor dem Zelt brodelte.
Die Königin! Die grausame Torya! Und jetzt hörte Katanja auch ihre Stimme. »Die Hexe gehört euch!«, rief sie draußen auf dem Innenplatz der Wagenburg: »Nehmt sie euch vor! Ich will sie schreien hören! Ich will, dass nichts von ihr übrig ist, wenn wir sie Jacub von Eyrun übergeben.«
Die beiden Männer vor dem Zelteingang plauderten längst nicht mehr. Katanja sprang auf, das Herz schlug ihr in der Kehle. »Warum hasst sie mich so?«, flüsterte sie wie zu sich selbst. »Warum führt sie Krieg gegen mich?« Die Fellplane vor dem Eingang wurde zur Seite gerissen, der Große mit dem Narbengesicht bückte sich ins Zelt; Burgas hieß er. Katanja zog den Mantel um ihre Schultern zusammen. Zwei weitere Krieger folgten dem narbengesichtigen Hünen. Katanja fasste nach der Mittelstange des Zeltes,
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