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Die Tochter Der Goldzeit

Die Tochter Der Goldzeit

Titel: Die Tochter Der Goldzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Bach, stieg einen Hang hinauf, lief immer weiter.
    So betrat Katanja von Altbergen zum ersten Mal unbekanntes Land. Zum ersten Mal in ihrem noch jungen Leben versuchte sie damals, für sich zu gewinnen, was ein Stärkerer besitzen wollte. Sie brach zum ersten Mal auf an jenem Tag, und sie ging zum ersten Mal verloren.

Kapitel 2
    Ein Truthahn krähte. Krähte und krähte, bis die Traumbilder zerstoben. Bosco fuhr hoch, sein Magen knurrte, vor dem Fenster dämmerte der neue Tag. Und wieder der kollernde Lärm. Er lauschte. Kein Truthahn - auf der Mauer bliesen sie das Kriegshorn! Schritte eilten draußen vorbei, Männer fluchten, Frauen riefen. Sammelten etwa die Tiefländer sich zum nächsten Sturmangriff?
    Er schob das Mädchen von seinem Arm, stand auf, schlüpfte in seine Kleider, warf seinen Dachsfellmantel über die Schulter. Und wieder schallte das heisere Kriegshorn über die Dächer. Sie benutzten Wildsauhauer als Fanfaren. Es ging einem durch und durch, dieses barbarische Getröte!
    Das Mädchen riss die Augen auf. »Haben sie die Mauer überrannt?« Plötzlich saß es kerzengerade in den Fellen. »Ich hab Angst, Bosco.«
    Er hängte sich das Binocular um, griff nach seiner Armbrust und lief zum Hütteneingang.
    »Wohin gehst du? Lass mich doch nicht allein!«
    »Ich schau nur kurz nach, was da los ist.« Er riss den Riegel aus dem Wandbügel. »Wenn es ernst wird, hauen wir ab. Ich nehm dich mit, versprochen!«
    Das meinte er so, wie er es sagte, und das Mädchen wusste es. Es machte ein ängstliches Gesicht, zog die Beine an, kauerte sich in die Felle.
    Bosco riss die Tür auf, rannte los.
    Eigentlich segelte er nur wegen des Mädchens auf die Insel herüber, in letzter Zeit immer öfter. Sie war die Tochter des Cabullos, ein kluges Barbarenmädchen. Brüste wie Kürbisblüten, ein Mund wie eine Paradiespforte und Augen wie die Seen in den Hügeln von Tikanum, wenn die Sonne sich in ihren Wassern spiegelte.
    Himmel, wie sein Magen knurrte!
    Ein paar Jäger stürzten aus ihren Häusern, schulterten ihre Bogen und Lanzen, rannten hinter ihm her. Auf der Veranda der Gemeinschaftshütte stolperte der Cabullo die Stiegen hinunter, halbnackt und fluchend.
    Endlich die Mauer, endlich das Hafentor! Bosco kletterte zum Wehrgang hinauf, geschmeidig und flink wie eine Katze. Er wunderte sich, weil er das nervenzerrende Kriegsgeschrei der Tiefländer noch immer nicht hörte.
    Der Hunger machte ihn ganz schwindlig.
    Außer dem Turmwächter und der Wachschicht hatten sich auch ein paar nackte Kinder und alte Weiber auf dem Wehrgang versammelt, die ihre Nächte hier oben verbrachten, wenn sie nicht schlafen konnten. Die Greisinnen lehnten zwischen den Zinnen und äugten nach Süden. Bereitwillig machten sie Bosco Platz. Sie sahen ihn gern, den hübschen Fremden mit der braunen Haut, den dunkelblauen Augen und dem schwarzen Langhaar, das ihm störrisch und kraus vom Schädel abstand; die meisten Frauen sahen Bosco gern.
    Morgendunst lag über Küste und Meer. Zuerst erkannte Bosco nur das Kriegslager der Tiefländer vor den Dünen, dann ein paar Möwen, dann auf den Dünen die Wachen der Tiefländer, die brüllten und gestikulierten. Andere liefen unten im Lager von Zelt zu Zelt, schlugen auf die Planen, schrien ebenfalls. Schon krochen die ersten Krieger schlaftrunken heraus.
    Von einem Sturmangriff keine Spur.
    »Was ist da los?« Bosco knurrte unwillig. »Wozu der Lärm?«
    Bevor einer der Mauerwächter antworten konnte, entdeckte er die Rauchsäule über den Umrissen eines großen Schiffes zwischen den Felsrücken der natürlichen Hafeneinfahrt. Gleich dahinter schälten sich die Konturen eines zweiten, dritten und vierten Schiffes aus dem Dunst, ebenfalls Viermaster. Bosco hielt den Atem an: Alle vier Schiffe waren viel länger und breiter als der Dreimastsegler der Tiefländer, der weiter östlich nahe der Klippen vor Anker lag; und über den Mittelschiffen aller vier Großkähne standen Rauchsäulen wie krumme, verkohlte Kiefernstämme.
    »Sie brennen«, krähte eines der alten Weiber. »Die verfluchten Schiffe brennen!«
    Alle glotzten und nickten.
    »Die verfluchten Schiffe brennen keineswegs.« Bosco wusste es besser. »Leider nicht.« Inzwischen sprach er den Dialekt der Insulaner fehlerfrei.
    Immer mehr Bewohner der Küstensiedlung sammelten sich auf dem Wehrgang, vor allem bewaffnete Wildsaujäger und Fischer. Alle starrten und staunten mit offenen Mündern. Keiner hier hatte je solche Schiffe gesehen.

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